Er lehne das Internet ab, hat Flaubert einmal gesagt,weil es

nur noch mehr Leuten erlaube, zusammenzukommen, um zusammen dumm zu sein. Okay, Flaubert hat das über etwas anderes, nämlich über die Eisenbahn gesagt. ....                                                   Deniz Yücel

 

 

 



 

Das vierte Kollektiv und die Israel-Obsession

Internet und Judenfeindlichkeit

 

 

 

 - Auf der heute meist genutzten Online-Plattform Tiktok, einem 2016 in China entstandenen Videoportal, hat sich ein Antisemitismus und Judenhass entwickelt, den es in dieser Form der ungebremsten Verbreitung und medialen Präsenz bislang nicht gegeben hatte. 

Das Phänomen ist bekannt und wird gelegentlich in den Feuilletons der Zeitungen thematisiert.

 

- Ging der Hass auf Israel bzw. auf die Juden bislang eher von bestimmten Gruppen aus, etwa vom islamistischen, linken oder nationalistischen Spektrum, wurde die Judenfeindlichkeit und der Israelhass auf den neuen  Online-Plattformen in zunehmender Weise zum Massentrend. Israelhass wurde hipp.

Frauenrechtlerinnen bezeichnen das Massaker der Hamas vom 7. Oktober als legitime Aktion im Freiheitskampf und Vertreter der Homosexuellen-Szene winken auf Veranstaltungen mit der Hamas-Flagge oder tragen Pali-Tücher. Dies ungeachtet der in der Hamas-Theokratie herrschenden Verfolgung von Schwulen und Lesben und ihrer Bedrohung mit dem Tode.

 

- In stärkerem Maße als bei anderen Portalen registrieren die Algorithmen  von Tiktok jede Neigung und beantworten sie mit einem Kosmos entsprechender Angebote.

Auf diese Weise erscheint bei der Nachfrage "Gaza" eine Flut von Video-Clips, die Israel einen Genozid nachsagen und die das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 als ein von der israelischen Regierung bewusst und mit Kalkül zugelassenes Geschehen darstellen, ja sogar als inszeniert, mit dem Motiv, an den Palästinensern einen Völkermord verüben zu können.

 

- Allerdings stellt sich das Phänomen des Antisemitismus bei Tiktok nur als Exponent, als Bugwelle eines Trends dar, der das Internet generell betrifft und mit dem sich das, was sich früher als Dorftratsch äußerte,  zu einer global-digitalen Monstrosität  auswächst. Die Judenfeindlichkeit wird zunehmend atmosphärisch. 

 

- Kanzler und Außenminister der im Mai 2025 angetretenen deutschen Bundesregierung kündigten angesichts der medialen Berichterstattung über Israels Vorgehen im Gaza-Krieg, der sich an das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 anschloss, eine Überprüfung der Waffenlieferungen an den jüdischen Staat an. Man warf Israel Unverhältnismäßigkeit vor, Zivilisten würden zu wenig geschützt, hieß es.

Dies, obgleich die Opferzahlen meist aus dem Propagandaministerium der Hamas stammen, die nachweislich möglichst hohe Opferzahlen als Strategie einsetzt, nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheidet, ihre militärischen Basen gezielt unter zivilen Einrichtungen errichtet und nach wie vor israelische Geiseln gefangenhält. Die Angaben der Hamas haben sich bereits des Öfteren als falsch erwiesen. Dies wurde allerdings in der Verlautbarung der deutschen Regierung kaum beachtet, auch blieb ein Lösungsvorschlag zu der Frage, wie eine Verhältnismäßigkeit aussehen würde, aus - gegenüber einer Terrororganisation, die die Vernichtung Israels sowie aller Juden in ihrer Charta festgelegt hat und die kundtut, das Massaker vom 7. Oktober würde beizeiten wiederholt. Die weder kapituliert, um weiteres Leid der eigenen Zivilbevölkerung zu vermeiden noch die Geiseln freigibt.

 

- Kanzler und Außenminister ruderten mit ihren Aussagen zwar einige Tage später angesichts des Widerspruchs in ihrer Partei zurück, aber ungeachtet dessen bedeuten die Proklamationen eine Zäsur der deutschen Haltung gegenüber Israel. Der vernehmbare Vorwurf einer Anbiederung bei einem bestimmten Wählerpotential sowie auch beim allgemeinen internationalen Trend des Israelhasses ist nicht von der Hand zu weisen, zumal der Umfang der deutschen Waffenlieferungen an den jüdischen Staat verschwindend gering ist, etwa im Verhältnis zu den Lieferungen an die Türkei, die seit Jahrzehnten Krieg gegen die Kurden im eigenen Land sowie im Irak und in Syrien führt, verbunden mit ungezählten zivilen Opfern, Vertreibungen und Grenzverschiebungen. Oder im Verhältnis zu den Lieferungen an Saudi-Arabien, das seit elf Jahren massiv an dem Bürgerkrieg im Jemen beteiligt ist, mit bislang vierhundertausend zivilen Opfern. Zu keiner Zeit kam es hinsichtlich dieser Waffenlieferungen zu einem ähnlich kritischen Statement von höchster deutscher Regierungsstelle.

 

- Wobei die Regierung hier gleichsam den mehr oder weniger israelfeindlichen Vorgaben des öffentlich-rechtlichen-Rundfunks folgt, der seit der Merkel-Ära die Richtung der Politik bestimmt. Dort werden Berichte über den Gaza- Konflikt stets mit Bildern und bewegten Kommentaren zur Situation der leidenden Bevölkerung von Gaza gerahmt, während der Grund für das Vorgehen Israels und das Schicksal der israelischen Geiseln weitaus seltener thematisiert werden und das Los der im Norden Israels vor den Raketenangriffen der Hisbollah geflohenen Bevölkerung meist eher knapp und nüchtern erwähnt wird. Die Angaben der Opferzahlen werden kommentarlos von der Hamas-Propaganda übernommen, während bei israelischen Aussagen, etwa über Raketenabschussbasen unter Krankenhäusern oder Hamas-Kommandozentralen unter UN-Gebäuden regelmäßig angefügt wird, diese Angaben könnten nicht unabhängig überprüft werden

 

- Die affirmative Darstellung der Hamas-Propaganda durch Tagesschau etc. und Leitmedien gipfelt im Sommer 2025 in den Berichten über eine Hungerkatastrophe in Gaza. Bilder mit zum Skelett abgemagerten Kindern gingen um die Welt. Es stellte sich heraus, dass man Kinder ausgesucht hatte, die an genetisch bedingten Stoffwechselstörungen leiden. Die Eltern oder Geschwister, sofern sie nicht aus dem Bildausschnitt entfernt wurden, erscheinen wohlgenährt und gesund,  was etwa bei der ZEIT niemanden zu irritieren scheint, die ein solches Foto mit der Überschrift präsentiert "So sieht Hunger aus". Man hat, so der Investigativ-Journalist David Collier, "eine tragische Situation missbraucht und zur Waffe gemacht".

 Einlassungen Israels, die den Behauptungen einer Hungersnot in Gaza entgegenstehen, werden ignoriert. Über Lebensmittellieferungen Israels wird stets abwertend oder gar nicht berichtet.

 

- Die angebliche Hungerkatastrophe wird von deutschen Parlamentariern des linken Spektrums zum "größten Verbrechen der Zeit" erklärt - während sich im Sudan, kaum erwähnt, eine wirkliche Hungerkatastrophe vollzieht, bei der, laut unicef "mehr als 638 000 Menschen - darunter viele Kinder -  von der schwersten Form des Hungers betroffen"  sind, ausgelöst durch einen Bürgerkrieg, der neben Russland und dem Iran auch von Saudi-Arabien befeuert wird, das ungebrochen zu den größten Waffenimporteuren Deutschlands gehört.      Der Medienstaat >>

Das Geschehen mag eine Zuspitzung sein, ist jedoch exemplarisch: der Hass auf Israel und die israelfeindliche Doppelmoral in den Medien ist greifbar und wird täglich neu aufgelegt.

 

- Antisemitismus ist, so eine probate Definition, wenn man Juden respektive dem Staat Israel etwas übelnimmt, was man anderen nicht oder weniger übelnimmt.

Wie kommt es zu dieser Besinnungslosigkeit der Doppelmoral und wie kommt es zu einer derartigen Zunahme des Antisemitismus ?

 

 

 

Totalitarismus und Kollektiv

 

 

- Im Unterschied zum gewachsenen Gemeinwesen, wie es sich aus Verbänden von kleineren Verbänden und letztlich aus der lebendigen Beziehung der Einzelnen zueinander fügt, zielt das Kollektiv auf den Zusammenschluss der Menschen zu einem vereinheitlichten Block: der Gemeinschaft um der Gemeinschaft willen. Der Begriff des Faschismus, mit dem Symbol des Rutenbündels, sollte ursprünglich die Bündelung des Willens der Vielen unter einer vereinheitlichenden Führung veranschaulichen. Daher führt die kollektivistische Gesellschaft stets zu einem totalitären System. Und eine totalitäre Führung strebt immer eine kollektivistische Gesellschaft an.

 

- Ein mit Verlässlichkeit früher oder später im Zuge der Bildung totalitärer kollektivistischer Gemeinschaften auftretendes Merkmal ist die Judenfeindlichkeit. Im Falle des NS-Staats gehörte sie gleichsam zur Ideologie. Im Kommunismus bzw. Stalinismus stellte sich eine systematische Judenverfolgung erst später, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein.

 

 

Islamischer Antisemitismus

 

- Der israelische Historiker Yehuda Bauer hob 2003 in einem Zeitungsartikel drei totalitäre Systeme des zwanzigsten  Jahrhunderts hervor, die einen jeweils spezifischen Antisemitismus als wesentliches Merkmal entwickelten. Neben Nationalsozialismus und Stalinismus trat als letzte der maßgeblichen Ideologien dieser Art, so Bauer, der Islamismus als totalitäres System hervor, das ebenfalls mit einer genozidalen Judenfeindlichkeit einhergeht.  "Der dritte Totalitarismus / Radikale Islamisten kämpfen um die Weltherrschaft. Das haben sie mit Hitler und Stalin gemein" Yehuda Bauer, Die Zeit, 2003.

 

- Allerdings stellt die Unterscheidung von Islam und Islamismus als Begriff für einen politischen Islam eine westliche Projektion dar, die auf dem Selbstverständnis der Trennung von Regierungsmacht und Religion basiert, wie es sich in den christlichen Gesellschaften entwickelte. Entsprechend jener Stelle in den Evangelien, in der Jesus am Beispiel der zwei Seiten einer Münze die Aussage trifft, man möge dem Kaiser geben, was des Kaisers ist, Gott aber was Gottes ist. Oder als er, vor Pilatus stehend, diesem auf die Frage, ob er der König der Juden sei, antwortet: "Mein Reich ist nicht von der Welt."

 

- Der Islam selbst kennt eine prinzipielle Trennung von Islam und politischem Islam nicht. Die Errichtung einer politischen Herrschaft gehört zur konzeptuellen Grundlage der Lehre Mohammeds und wurde von Beginn an umgesetzt. Binnen zwanzig Jahren wuchs der Islam zu einer militärischen Supermacht heran und expandierte entsprechend schnell. Das Christentum hatte im Unterschied dazu in seinen Anfängen über drei Jahrhunderte als Lehre einer verfolgten Minderheit existiert, die sich zunächst durch Dialog und Lehre vermittelt hatte.

Anders Mohammed, der alsbald als Kriegsherr auftrat und die Unterwerfung unter die Umma, unter die Gemeinschaft der Gläubigen einforderte, nachdem er in Medina zur Macht gekommen war. Die Ausrottung zweier ansässiger jüdischer Stämme, die ihm unbotmäßig erschienen, wird in Koran und Hadith beschrieben.  der wechsel der gebetsrichtung >>

 

- Es waren Vertreter der europäischen Aufklärung, die in romantischer Verbrämung die Erzählung von der angeblichen Toleranz des Islam initiierten. Sie diente dem neuen Bürgertum zur Kritik an Christentum und Kirche. Der Realität in den Regionen muslimischer Herrschaft entsprach sie nur wenig. Zwar hatte es in Andalusien unter der Regentschaft der Omajaden eine gewisse Phase der religiösen Toleranz gegeben, in der freilich weder Juden noch Christen die gleichen Freiheiten wie Muslime genossen, jedoch endete diese Zeit relativ bald, nachdem andere Dynastien die Macht übernahmen. So ereignete sich das erste Pogrom an Juden auf europäischem Boden im Jahre 1066 in Granada, das damals seit über dreihundert Jahren ein Zentrum der islamischen Herrschaft in Spanien bildete. Ein muslimischer Mob überfiel die Häuser der Juden und ermordete etwa viertausend Menschen. Die Zahl der Todesopfer soll Historikern zufolge die der späteren christlichen Pogrome im Rheinland übertroffen haben. Auch fanden die ersten Zwangskonversionen und Vertreibungen in Spanien unter muslimischer Herrschaft statt, lange vor der christlichen Rückeroberung und der Judenvertreibung der späteren Inquisition, in der man, unter Isabella von Kastilien, zu ähnlichen Methoden griff. Unter dem Regime der Almohaden, das 1148 begann, wurden Juden und Christen vor die Alternative gestellt, entweder zum Islam zu konvertieren oder das Land zu verlassen, andernfalls drohte die Hinrichtung. Der jüdische Philosoph und Arzt Maimonides musste aus diesem Grunde mit seiner Familie aus Spanien fliehen.

 

- Entgegen der Vorstellung, bei der Verfolgung der Juden habe es sich vornehmlich um europäische Vorkommnisse gehandelt, weist die Geschichte der islamischen Länder eine Kette von Pogromen auf, beginnend mit dem Massaker am jüdischen Stamm der Banu Quraiza, das Mohammed selber befehligte, bis hin zur Charta der Hamas, in der ein Hadith - eine kanonisierte Überlieferung der Aussprüche Mohammeds - mit der genozidalen Aussage zitiert wird :  "Die Stunde (der Auferstehung) wird nicht kommen, bis ihr die Juden bekämpft. Die Juden werden sich hinter Steinen und Bäumen verstecken. Dann werden die Steine und Bäume rufen: Oh Moslem, Diener Allahs, da ist ein Jude hinter mir, komm und töte ihn(Sahih bukhari 2925) 

Das Hadith taucht jedoch nicht nur im Manifest der theokratischen Hamas auf, auch vom Mufti der palästinensischen Autonomiebehörde wurde es 2012 im palästinensischen Fernsehen bei einer Rede anlässlich der 47. Jahrestags der Fatah rezitiert.

 

- Der islamische Antisemitismus ist ein belegbares, wirkmächtiges Faktum. In moderner Zeit erscheint er zudem ideologisch konnotiert, so etwa in den Texten der türkischen Millis Görüs oder der 1928 entstandenen ägyptischen Muslimbruderschaft. Diese und ähnliche Bewegungen sind es, die in der Regel unter dem westlichen Begriff des Islamismus kursieren. Sayyid Qutb, einer der maßgeblichen Protagonisten der Muslimbrüder, spricht in seiner 1950 erschienenen Schrift „Unser Kampf mit den Juden“ von einer „antagonistischen jüdischen Macht“ und von einer dem Judentum seit der Zeit Mohammeds „immanenten Feindschaft gegen den Islam“. 

Das  Judentum, so Qutb, strebe im Verborgenen nach der Weltherrschaft oder übe diese bereits aus und kontrolliere aus dem Hintergrund die Weltpolitik. Westliche Verschwörungstheorien wie "Die Protokolle von Zion" fließen ebenso ein wie die Erwähnung der Massaker, die Mohammed an den Juden in Medina befehligte und die als berechtigte Verteidigungsmaßnahme dargestellt werden. Entsprechend wird die Verbreitung des Islam, auch durch Gewalt gegen Nicht-Muslime, von Qutb als notwendig gepredigt.

 

- Sein Vorgänger Hasan Al Banna, der die Bruderschaft gründete, war ein Verehrer des Muftis von Jerusalem, Mohammed Al Husseni. Dieser stand in engem Kontakt zu Hitler und wurde mehrfach in Berlin von ihm empfangen. Bei einem dieser Besuche setzte sich der Mufti persönlich dafür ein, 2500 jüdische Kinder, die man  auf Himmlers Geheiß vom Transport nach Auschwitz ausgenommen hatte, doch noch in den Tod zu schicken. Himmler hatte vorgehabt, die Kinder über Unterhändler in der Türkei gegen Lastwagen für die SS einzutauschen. Der Mufti wandte jedoch ein, sie würden dann später in Palästina gegen die Araber kämpfen, worauf Hitler seinem Wunsch nachkam und die Kinder abtransportieren ließ.  Al Husseini stellte im Auftrag der Nazis eine SS-Division auf dem Balkan sowie auch eine im Nahen Osten auf, die einer dortigen "Endlösung" zuarbeiten sollte. Er inszenierte etliche Terrorakte und Massaker an der jüdischen Bevölkerung Palästinas, so das Pogrom von Hebron im Jahre 1929, bei dem 60 Juden ermordet wurden und die dort seit dreitausend Jahren ansässige jüdische Bevölkerung vertrieben wurde.

 

- Aus der Muslimbruderschaft gingen lokale Ableger in Syrien, Jordanien und anderen Ländern hervor, so auch die Hamas in Gaza, die ihren Terror zwar als Befreiungskampf gegen Israel darstellt, jedoch den Maximen der Muslimbruderschaft folgend, die Herrschaft einer islamischen Theokratie weltweit anstrebt.  

 

- Dort, wo ein kollektivistischer Zwang das Gemeinwesen besetzt, scheint Judenhass eine sich stets einstellende und zwangsläufige Folgeerscheinung zu sein. Ein Indikator.  Das Ausmaß der Feindlichkeit gegenüber den Juden zeigt an, wann ein Kollektiv zum Schwarzen Loch wird. Sie sind in der Rolle des Kanarienvogels im Bergwerk.

 

 

 

Die Judenfeindlichkeit kollektivistischer Systeme

und der Anarchismus des Judentums. 

 

 

- Die Ablehnung von Minderheiten ist einer kollektivistischen, blockbildenden Gemeinschaft inhärent. Sie stören den Zwang der Vereinheitlichung und sollen entweder assimiliert oder ausgestoßen werden. Die Juden waren in besonderer Weise betroffen, weil sie seit zwei Jahrtausenden als Minderheit existieren. Aber im NS-Staat wurden auch andere Minderheiten verfolgt.

 

- Allerdings nicht so wie die Juden, deren Verfolgung bekanntlich zum öffentlichen Programm der Nazis gehörte. Auch ging hier die Verfolgung von einem Land aus, in dem sich die Juden weit mehr assimiliert hatten als anderswo. 

Dieser dezidierte Hass lässt sich nicht hinreichend über den Minderheiten-Status erklären. Auffällig ist zudem die ausgeprägte Judenfeindschaft in einigen Ländern, in denen keine Juden leben, so etwa in Pakistan. Es ist eine spezifische, instinktive Feindschaft, die sich in kollektivistischen Systemen bildet.

 

- Der Grund für diese spezifische Feindseligkeit liegt im essentiellen Anarchismus des Judentums. Im Judentum wurde der Mensch erstmals als Einzelner gegenüber Gott und gegenüber seinen Mitmenschen begriffen. Es war die Achtung vor dem Leben des Einzelnen, die das Judentum von den anderen Völkern der Antike unterschied, so etwa in der Ablehnung des Menschenopfers.

Der Hass in kollektivistischen Staatsformen auf die Juden erweist sich auf diese Weise als Hass auf den Impuls der Individuation und auf die Achtung vor dem Leben des Einzelnen. 

 

- Ist nicht das Judentum eher für einen detaillierten Gesetzeskodex als für einen Anarchismus bekannt? 

 

 

Verschwörungen

 

-Im Kollektiv wird der Einzelne als Funktion der Gemeinschaft begriffen, die sich damit quasi durch sich selbst begründet -  als Gemeinschaft um der Gemeinschaft willen. Sie basiert damit auf Zwang und nicht auf der freien Beziehung der Individuen zueinander. Die Eigenbewegung des Einzelnen bleibt in einem kollektivistischen Menschenbild unbegriffen. Sie wird als Motiv nicht wahrgenommen und wird ausgeschlossen. In diesem Sinne beschreibt der Politologe Bassam Tibi in seinem Text "Die Verschwörung" die Ausblendung einer eigenen "Geschichte des Subjekts"  und die Unterwerfung des Einzelnen unter die Umma als einen Grundzug der islamischen Gesellschaft. 

 

- Der Beweggrund des Einzelnen wird verdrängt und als Störung des kollektivistischen Gleichklangs wahrgenommen. Die im Kollektiv verdrängte eigene Bewegung erscheint damit, nach außen projiziert, als Bedrohung. Jegliche Veränderung wird auf diese Weise als Werk einer äußeren Verschwörung wahrgenommen. Als eine Verschwörung, die man letztlich immer wieder den Juden zuschreibt, die das Selbstverständnis des Einzelnen in seiner Freiheit und Eigenbewegung in die Menschheitsgeschichte eingebracht haben. Und die nach wie vor ahnungsweise damit identifiziert werden. 

 

- Aber es gibt doch Verschwörungen. Wenn man etwa die Entstehung und mediale Aufrechterhaltung des Corona-Wahns und die Aussagen der WHO oder des Weltwirtschaftsforums betrachtet, fällt es schwer, darin nicht die Realisierung eines Plans und einer Strategie zu erkennen.

 

- Verschwörungen stellen nichts anderes als das Verdrängte des öffentlichen Bewusstsein dar. Das heißt, sie entstehen und können nur agieren aufgrund des verdrängten Lebens der Einzelnen und sind letztlich auch dadurch bedingt. Nämlich inwieweit der Einzelne sich vom kollektiven Myzel bestimmen lässt und seinen eigenen Anfang nicht zulässt - sei es in der Übereinkunft mit dem Mainstream oder in der Reaktivität der Gegenkollektive. 

 

- Verschwörungen können nie die Ursache einer gesellschaftlichen Katastrophe sein, so wenig wie ein Virus die Ursache einer Krankheit darstellt, sie sind nur die konkrete Erfüllungshilfe einer Vergewaltigung, die schon lange vorher besteht. In diesem Sinne gilt:  Der Keim ist nichts, das Milieu ist alles. (Claude Bernard)

In einem eigenständigen Gefüge haben Viren nicht nur keinen Zugriff, sie entstehen erst gar nicht. Daher grassieren in einem kollektivistischen System sowohl Verschwörungen als auch Verschwörungstheorien. So auch im digitalen Geflecht des Internets.  

 

- Nochmal: Wie können die Juden mit ihrem Gesetzeskodex und als Volksgemeinschaft für die Individuation stehen? 

 

- Der Impuls der Individuation musste zunächst von einem Volk aufgenommen werden. Indem Gott sich ihnen als das Prinzip der Identität offenbart hat, als er zu Moses im brennenden Dornbusch sprach "Ich bin der Ich bin". Wenn das Volk fragen würde, wer zu ihm gesprochen habe, soll Moses sagen:"Ich bin der Ich bin hat zu mir gesprochen". Der Mensch wurde damit zum Ich-Wesen, dem Himmel gegenüber, von ihm getrennt wie von der Natur getrennt und dieser gegenüber. Ein Grenzwesen.

Darin liegt sein Menschsein - lebendige Grenze zu sein und dies Leben an der Grenze auf sich zu nehmen und durchzutragen. (Romano Guardini)

 

- Dieser Impuls wurde zunächst vom Volke aufgenommen, aus dem der Christus geboren werden sollte. In ihm ist dann der Gott der Identität selber Mensch geworden und hat damit jedem Menschen die Möglichkeit gegeben, in eine eigene Beziehung zum Himmel und zu seinen Mitmenschen zu treten, unabhängig von Clan- oder Volkszugehörigkeit. Diese Unabhängigkeit wird von Jesus oft und deutlich hervorgehoben.

Im Christentum wurde der vom Judentum eingebrachte ethische Impuls der Ehrfurcht vor dem Leben des Einzelnen konkretisiert. So antwortet Jesus auf die Frage des Schriftgelehrten, welches das wichtigste Gebot sei, mit jenen beiden Stellen aus den mosaischen Büchern, in denen zum einen die Liebe zu Gott und zum anderen die Liebe zum Nächsten genannt wird. Jesus stellt diese beiden Weisungen gleich. 

 

- Rudolf Steiner äußert dazu: „Der eigentlich moralische Antrieb für die Menschheit wurde erst durch das Judentum vorbereitet, dann durch das Christentum weiter ausgebildet." (GA 193,s.187) 

 

- Er meint allerdings mit moralischem Antrieb den ethischen Antrieb, denn die Moral, von Mores-Sitten, kann sich nur auf die Sitten des Gemeinschaftlichen beziehen. Hier aber ist das Verhältnis des Einzelnen zum Himmel und zum anderen Menschen gemeint, mithin die Ethik. 

 

 - Die Bestimmung des Volkes Israel wurde in der Entwicklung des Judentums und mit Entstehung des Christentums zur Bestimmung des einzelnen Menschen. Diese allegorische Auslegung der Thora war durch Philon von Alexandrien begründet worden, der ein Zeitgenosse von Jesus war. In diesem Sinne steht das Volk Israel in der spätantiken Hermeneutik bei Juden und Christen für die Seele bzw. für den einzelnen Menschen in seinem Verhältnis zum Himmel, zu Mitmensch und Natur.  

 

- Auch in der Münchner Rhythmenlehre, wird die Verbindung von Saturn und Pluto als Ägyptische Gefangenschaft  gedeutet, in der sich der Einzelne unter der Knechtschaft einer kollektivistischen Fremdbestimmung befindet.

 

- Daher der Hass des kollektivistischen Blocks auf die Juden. Der sich in der Folge ebenso auf das Christentum erstreckt. So erklärte Hitler in seinen protokollierten Tischgesprächen, man werde sich nach dem Krieg und dem Endsieg dem "Kirchenproblem" zuwenden. Wegen der Weisung zur Nächstenliebe, die sich auf alle Menschen bezieht, gleich ob krank, behindert, von anderer Hautfarbe oder Religion, sei das Christentum wider die natürliche Auslese"Der Krieg wird sein Ende nehmen, und 

ich werde meine letzte Lebensaufgabe darin sehen, das Kirchenproblem noch zu klären. ... Das reine Christentum führt zur Vernichtung des Menschentums, ist nackter Bolschewismus in metaphysischer Verbrämung", so Hitlers Resümee. ("Monologe im Führerhauptquartier", Werner Jochmann).

 

- Der Völkermordforscher Gunnar Heinsohn begründet die Judenfeindlichkeit und den damit verbundenen irrationalen Hass der Nazis ebenfalls mit dem essentiellen Element der jüdisch-christlichen Ethik: In seiner Schrift "Warum Auschwitz?" erklärt er den Hass auf die "Lebensheiligkeit",  auf die Achtung vor dem Leben des einzelnen Menschen als das Grundmotiv des genozidalen Antisemitismus der Nazis. Diese unbedingte Wertschätzung des Lebens sei erstmals durch das Judentum in die Menschheitsgeschichte eingebracht und später im Christentum aufgenommen worden, so Heinsohn.

Er nennt als Beispiel die Ablehnung des Menschenopfers, das im Unterschied zum antiken Judentum bei den anderen Völkern, etwa den Germanen, Kelten und auch den Römern, noch während der ersten Jahrhunderte n. Chr. praktiziert wurde, und das erst mit der Ausbreitung des Christentums sein Ende fand. Ebenso die Ablehnung der Tötung unerwünschter Kinder. So spotteten die Griechen darüber, dass die Juden alle Neugeborenen am Leben ließen. Auch konstatiert Heinsohn, die Juden seien eines der wenigen Völker, das nie einen Genozid begangen hätte. Dem Einwand, in der Bibel werde durchaus von Genoziden berichtet, entgegnet Heinsohn, diese sei kein historisches Zeugnis, was sich allein schon daran misst, dass die von den Juden angeblich ausgerotteten Stämme oder Völker einige Seiten später wieder auftauchen. (Heinsohn, Lexikon der Völkermorde)

 

- Wirft man den Israelis nicht vor, sie würden im Zuge des Kriegs gegen die Hamas in Gaza seit dem Massaker vom 7. Oktober einen Genozid an den Palästinensern verüben?

 

- Genozid zu verüben, wird den Israelis bereits seit der Staatsgründung vorgeworfen und gehört zur Routine der israelfeindlichen Propaganda, etwa in der Türkei oder in der Rhetorik des TV-Senders Al Jasirah, der, von Katar finanziert, praktisch als Propagandakanal der Muslimbrüder fungiert. Ähnlich bei den Ausläufern des sozialistischen Spektrums - so auch in Israel. Aber auch sonst stößt die Behauptung die Juden bzw. die Israelis hätten "auch" einen Genozid begangen, auf eine merkwürdig beflissene Bereitschaft der Zustimmung. 

 

- Zur Situation in Gaza vor dem Massaker der Hamas meint der Kolumnist H.M. Broder, dass "Gaza kein Slum ist, die Lebenserwartung höher und die Kindersterblichkeit niedriger liegt als in den arabischen Nachbarstaaten. Und was den „Genozid“ angeht, den Israel in Gaza begeht, so wäre es der erste in der Geschichte der Völkermorde, bei dem die betroffene Population sich vervielfachen konnte: Von etwa einer halben Million im Jahre 1985 auf über zwei Millionen heute." 

 

- Das israelische Vorgehen gegen die Hamas kann nicht als Genozid noch als Kriegsverbrechen gelten. Als Reaktion auf den Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023, die seither weder alle Geiseln freigelassen noch kapituliert hat, versuchen die Israelis die Terrororganisation auszuschalten. Sie setzen Smart Bombs ein und warnen die Zivilbevölkerung vor Angriffen. Wenn zivile Ziele zerstört werden, liegt das an der Hamas, die ihre Kommandozentralen und Raketenbasen gezielt unter Krankenhäusern etc. eingerichtet haben. Dennoch hat es verhältnismäßig wenig Kollateralschäden gegeben, etwa gemessen am Vorgehen der USA im Irak, der Türkei in den Kurdengebieten oder Russlands in Tschetschenien und in der Ukraine.

 

- Tatsächlich wurden bei keiner anderen militärischen Aktion Zivilisten wie auch vermeintliche Zivilisten in derartiger Weise geschont, gewarnt und mit Hilfslieferungen bedacht wie beim israelischen Vorgehen gegen die Hamas in Gaza. Dass die Zahl der bei Angriffen getöteten Palästinenser auf Angaben der Hamas zurückgeht, die zwischen Hamas-Terroristen und Zivilisten nicht unterscheidet, ihre Kommandozentren, Waffenlager und Raketenbasen gezielt unter Krankenhäusern, UN-Instituten, Schulen und Moscheen anlegt, eine unabhängige Berichterstattung seit 20 Jahren unterbindet und selbst versucht, die Opfer fehlgeleiteter eigener Raketeneinschläge den Israelis zuzuschieben, scheint in der öffentlichen Berichterstattung keine Rolle zu spielen. Sogar die Falschmeldung über einen israelischen Raketenangriff auf ein Krankenhaus mit 500 Opfern, der sich tatsächlich als Einschlag einer fehlgeleiteten Hamas-Rakete auf dem Parkplatz des besagten Hospitals - ohne Todesopfer -  herausstellte, wurde noch Tage nach der offizieller Richtigstellung vom deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk wiederholt.

 

- Heinsohn resümiert, dass der Nationalsozialismus mit der Vernichtung der Juden die durch das Judentum eingeführte Ethik der Lebensheiligkeit und der Achtung vor dem Individuum, auszulöschen suchte. Man wollte, so Heinsohn, mit der Vernichtung der Hardware die Software eliminieren.

 

- Diese Deutung verbleibt in der Auffassung von Judentum und Christentum als einer Lehre. Sie erfasst nicht die lebendige Wirklichkeit des Impulses der Individuation, der sich den Menschen einst in der Ansprache Gottes an Moses mitteilte und der die Geburt des Menschensohnes vorbereitete.

 

 

 

 

  

 

 

 Und es ist infam, wenn der 7. Oktober sogar als Inszenierung Israels interpretiert wird. Oder wenn mit keinem Wort die Freilassung der Geiseln gefordert wird. Wenn stattdessen der Krieg Israels in Gaza als willkürlicher Eroberungs- und Vernichtungskrieg einer Kolonialmacht dargestellt wird. Springen in den Köpfen der Leute nur noch Clips wie bei TikTok?

Mittlerweile scheinen mir die Begriffe follower, influencer, activist nicht mehr harmlos. Diese geschmeidigen Internet-Wörter machen ernst. ... Denn außerhalb des Internets bedeuten sie Gefolgschaft, Einflussagent, Aktivist. Als wären sie übernommen aus der Kaderschmiede einer faschistischen oder kommunistischen Diktatur. Ihre Geschmeidigkeit ist ohnehin nur eine Illusion. Denn ich weiß, dass die Wörter, das was sie sagen, auch tun. Sie fördern Opportunismus und Gehorsam im Kollektiv und ersparen die eigene Verantwortung für das, was die Gruppe tut. 

Herta Müller, 3. Juli 2024, Auszug aus einer Rede

 

 

 


 

 

Das vierte Kollektiv

 

 

- Yehuda Bauer verfasste den Essay über die drei totalitären Systeme des zwanzigsten Jahrhunderts kurz nach der Jahrtausendwende, im Jahre 2003. (Der dritte Totalitarismus, Die Zeit, 32/2003)

Das vierte Kollektiv hatte damals schon seinen Anfang genommen, war aber in seiner Totalität, mit der es das Leben des Einzelnen überschatten und verändern würde, noch nicht absehbar.

Das Internet und vor allem das mobile Internet mit seinem globalen Kollektivismus begann erst in den folgenden zwei Jahrzehnten den Alltag des Menschen zu beherrschen. Dieses vierte Kollektiv ist, im Unterschied zu den, auf ein autoritatives, zentralistisches Führerprinzip ausgerichteten vorangegangenen Kollektiven, dezentral. Es bedarf keines Führers. Der Antagonismus von Staat und Masse, der den Totalitarismus zuvor auszeichnete, besteht hier nicht mehr.

Vielmehr verbreitet sich die Kollektivierung mittels der technischen Voraussetzung des Internets aus sich selbst wie ein Myzel. Nicht mehr steht ein totalitärer Staat der Masse gegenüber, sondern die technokratische Vernetzung. 

Dieses Myzel bildet das vierte Kollektiv, weit umgreifender und grundlegender als die vorhergehenden. Zugleich nicht fassbar, ein anonymes, auswucherndes Geflecht, sich ernährend von der okkupierten Gegenwart, persistierend in der Aufhebung der Wege und Orte.

 

 

- Mit dem Internet wurde es in neuer Weise trendy, gegen Israel zu sein. So etwa bei zahlreichen Schwulen- und Lesben-Vereinen sowie Gender-Ideologen, die freilich unter der Hamas keine Woche unbeschadet leben könnten. Der Judenhass in den sozialen Portalen Tiktok, X und anderen Plattformen ist erstaunlich, wer dort nicht unterwegs ist, kriegt ihn nur anhand der Auswirkungen mit. Nach Nationalsozialismus, Stalinismus und Islamismus stellt das Internet das vierte Kollektiv dar. Eine Fremdbesetzung ohne Ideologie, ein Trend - einzig geprägt von der digitalen Aufhebung der Orte und Unterschiede. Das ist die okkupierte Gegenwart.

 

- Warum okkupierte Gegenwart?

 

- Die Unvereinbarkeit, die sich darin äußert, dass Orte voneinander entfernt liegen, wird im Internet kurzgeschlossen und verdrängt. Es entsteht eine Schein-Gegenwart, in der das Erlebnis der Unterschiede der Orte nicht enthalten ist. So äußerte ein Freund, der seit 30 Jahren in Spanien lebt, er habe bei dem Stromausfall in Spanien vom Mai 2025 erst empfunden, wirklich woanders zu sein, wirklich weg und getrennt zu sein von seinen Angehörigen und Freunden in Deutschland, mit denen er bis dahin fast täglich über Internet kommunizierte.

 

-Der Stau der im technokratischen Geflecht verdrängten Unvereinbarkeiten lässt eine unterschwellige Aggression entstehen. Sie wird in den sozialen Plattformen und Foren mit zunehmender Vehemenz deutlich.              die zahl des tieres >>

Zunächst als demokratisierend wahrgenommen, stellt das Internet inzwischen eine apersonale Autokratie des Digitalen Geflechts dar, die mehr als irgendeine Reglementierung zuvor in das Leben eines jeden Menschen eingreift. Und die in den sozialen Netzwerken eine Form des Antisemitismus aufscheinen lässt, der alles vorherige übertrifft. Neben der einschlägigen Israelfeindlichkeit des Öffentlichen Rundfunks und der entsprechenden Berichterstattung der meisten offiziellen Medien profilieren sich hierbei in besonderer Weise auch die Gegenkollektive.

 

 

 

 

Die Gegenkollektive

 

- In den Gegenkollektiven finden sich die Geächteten und Befremdeten, die die Fremdheit gegenüber der offiziellen Welt und der medialen Öffentlichkeit nicht ertragen und die sich in Gemeinschaften ähnlich Gesinnter einfinden um dort ein wenig Gemütlichkeit und Bestätigung zu haben. Oft entwickelt sich in derartigen Gegenkollektiven eine spezifische Judenfeindlichkeit, da die kollektivistische Gemütsverfassung hier ein quasi geschlossenes Treibhaus bildet.

 

- Dies betrifft etwa die Zirkel und Plattformen des Widerstands gegen die Maßnahmen des Corona-Wahns, esoterische und nicht zuletzt auch astrologische Foren, wo sich teils eine einfältige, oft jeglicher historischer sowie geografischer Kenntnis ferne, in der Judenfeindlichkeit merkwürdig beharrliche Sicht auf den Nah-Ost-Konflikt äußert.

Wie im linken Meinungsspektrum  wird das irrige Klischee von den arabischen Ureinwohnern Palästina/Israels vorausgesetzt, die von einer westlich-jüdischen Einwanderergesellschaft vertrieben worden seien. Man zitiert den Kurdenschlächter Erdogan als Zeugen gegen Israel oder auch den Hamas-Propagandasender Al Jasirah.

Derartige Quellen predigen eine völlige Verfälschung der Geschichte Israels und der Araber und konstruieren ihre eigene geschichtliche Referenz. Bei Israel handle es sich um einen Kolonialstaat, so die Botschaft.

Ein Blick auf die Reiseberichte und Zeugnisse des 18. und 19. Jahrhunderts zeigt eine andere Realität. Dort wird das Land als weitgehend öde und menschenleer geschildert, so etwa in der Reiseerzählung Mark Twains von 1869, der die Region um Jerusalem wie auch den gesamten Küstenstreifen zwischen Jaffa und Haifa bis weit landeinwärts als menschenleere Öde beschreibt: „Ein wüstes Land, dessen Erde trotz ihrer Fruchtbarkeit völlig von Unkraut überwuchert ist… Schweigende, trauervolle Räume. Wir kamen schließlich am Tabor an… Auf dem ganzen Weg sind wir keiner Seele begegnet.“   ("Die Arglosen im Ausland", Mark Twain, 1869)

 

Ähnlich der noch frühere Bericht des Niederländers Adrian Reland von 1714, in dem von einer vorwiegend jüdischen und christlichen Bevölkerung in den Städten die Rede ist, so auch in Gaza.

Es sei offensichtlich keine einzige Stadt oder Siedlung in den vergangenen Jahrhunderten von Arabern gegründet worden. Ortsnamen genuin arabischen Ursprungs kommen, laut Reland, nicht vor, bei allen Ortsbezeichnungen handle es sich um sinnfreie arabische Abwandlungen von ursprünglich griechischen, lateinischen oder hebräischen Namen.   ("Palaestina ex monumentis veteribus illustrata", Adrian Reland, 1714)

So geht ein großer Anteil der arabischen Bevölkerung auf Einwanderungen aus den Nachbarländern während des 19. Jahrhunderts zurück und nicht etwa auf die islamo-arabische Eroberung des 7. Jahrhunderts.

"Nach Angaben des britischen Konsuls lebten in jenem Jahr (1865) ca. 18.000 Menschen in Jerusalem,

8000-9000 davon Juden. Am Ende der 1880er Jahre lebten ca. 43.000 Menschen in Jerusalem (28.000 Juden, 7.000 Muslime, 4.000 griechisch orthodoxe Christen, 2.000 Katholiken, 510 Armenier, 300 Protestanten und 100 Kopten). Im Jahr 1882, während der ersten größeren Einwanderungswelle von Juden nach Palästina, lebten in Palästina mehrere hunderttausend Araber, die sich in der Mehrheit ebenfalls erst vor wenigen Jahrzehnten dort angesiedelt hatten. „Die große Mehrheit der arabischen Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten waren vergleichsweise Neuankömmlinge – neu Zugewanderte

oder Nachkommen von Einwanderern, die in den letzten siebzig Jahren nach Palästina gekommen waren.“ (Martin Gilbert, Atlas of the Arab-Israeli Conflict, New York: Oxford Univesity Press 1993, S. 24)

Der Landstrich Palästina war im 18. und bis weit ins 19. Jahrhundert hinein ein ödes und kaum bevölkertes Land, bestehend vor allem aus Sümpfen und Wüsten und er war von Kriegen gezeichnet. " Jörg Rensmann, Der Mythos Nakba

 

- Auch war das in der heutigen Nah-Ost-Debatte so wichtig erscheinende Jerusalem über Jahrhunderte kaum von Bedeutung für die islamische Hemisphäre. Mohammed hatte, nachdem  die ansässigen Christen und Juden seine Forderung ablehnten, als Prophet anerkannt zu werden, die Gebetsrichtung geändert und ausdrücklich Mekka mit der Kaaba zum religiösen Zentrum des Islam bestimmt.

Im Koran wird Jerusalem, anders als im Judentum und im Christentum, namentlich nicht erwähnt. Seine Gewichtung als dritte heilige Stätte des Islam, neben Mekka und Medina, entstand erst im neunzehnten Jahrhundert.

 

- Zu einer verstärkten Einwanderung aus den arabischen Anrainerstaaten kam es, als das Land im Zuge der jüdischen Rückkehr und Bewirtschaftung  ab 1890 prosperierte. Jedoch hatte bereits Mechmet Ali Pascha, der als Vasall der Osmanen, über Ägypten herrschte, in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts einen großangelegten arabischen Bevölkerungstransfer ins Westjordanland, also nach Judäa und Samaria, betrieben.

Ab wann und ob sich eine muslimische Bevölkerungsmehrheit gebildet hatte, ist tatsächlich kaum zu sagen, da unter osmanischer Herrschaft nie eine Volkszählung zustande gekommen war und die erste verlässliche Erhebung dieser Art im Jahre 1920 von den Engländern nach Beginn der britischen Mandatsherrschaft durchgeführt wurde. (Tilman Tarach, "Der ewige Sündenbock")

 

- Als die UNO in ihrer Resolution von 1948 einen jüdischen und einen arabischen Staat auf dem früheren britischen Mandatsgebiet Palästina proklamierte, wurde diese Zweistaatenlösung von der jüdischen Bevölkerung, bzw. dem späteren Israel akzeptiert, nicht jedoch von den arabischen Staaten. Entgegen der vorherigen Abmachung, überfielen diese den nunmehr ausgerufenen jüdischen Staat. Die USA standen Israel damals noch skeptisch gegenüber und verweigerten die de-jure-Anerkennung als auch jegliche Hilfe.  Trotzdem errang Israel in dem anfänglich aussichtslos erscheinenden Krieg gegen eine arabische Übermacht von Streitkräften aus sechs Ländern - Ägypten, Jordanien, Syrien, Irak, Libanon und Saudi-Arabien - die Oberhand, so dass beim Waffenstillstand vom 20. Juli 1949 einige weitere Gebiete von Israel kontrolliert wurden, während das Westjordanland und Ostjerusalen von Jordanien besetzt wurde. Ägypten wiederum okkupierte den Gaza-Streifen.

 

- Im Zuge des Krieges war es zu Flucht und Vertreibung gekommen. Etwa 800 000 arabische Flüchtlinge wurden nach Ende der militärischen Auseinandersetzung gezählt. Ihnen standen etwa 800000 bis eine Million jüdischer Flüchtlinge aus den arabischen Ländern gegenüber, die selten Erwähnung finden und die in Israel aufgenommen und integriert wurden. Die arabischen Flüchtlinge wurden hingegen von der UNO und den arabischen Ländern in Lagern angesiedelt und seither in einem Flüchtlingsstatus gehalten der - einzigartig in der Welt - vererbt wird, so dass die ursprünglich angegebene Zahl der 800 000 Flüchtlinge mittlerweile auf das Siebenfache angewachsen ist.

 

- Die Bezeichnung der arabischen Flüchtlinge des ehemaligen britischen Mandatsgebiets als "Palästinenser" und die damit verbundene Begriffsbildung eines palästinensischen Volkes erfolgte erst später, in den sechziger Jahren, im Zuge der Entstehung der PLO, der Palästinensischen Befreiungsfront, unter der Protektion des ägyptischen Machthabers Nasser, der damit Israel zu schwächen suchte. Zuvor betraf die Bezeichnung "Palästinenser" die jüdische als auch arabische Bevölkerung des geografischen Gebietes Palästina, das seit 1920 unter britischem Mandat stand und das vorher zum osmanischen Reich gehört hatte. Unter der muslimischen  Herrschaft, die mit der Eroberung im 7. Jahrhundert begonnen hatte, wurde das Land als Djund al-Urdun -  Distrikt Jordan bezeichnet. Der Begriff war geografisch nicht klar umrissen und bezog sich, ebenso wie das Philistea der Römer, auch auf die Region östlich des Jordans, also auf Teile das heutigen Jordaniens.

 

Die Aneignung des Begriffs "Palästinenser" durch die PLO führte zu der falschen Gleichsetzung der heutigen "Palästinenser" mit der geografischen Region Palästina, verbunden mit der irrigen Vorstellung, Palästina sei einst das Land der politischen "Palästinenser" gewesen und diese seien durch die Gründung des Staates Israel aus ihrem Land vertrieben worden. Ein Etikettenschwindel mit fatalen Folgen.

 

 

Meine Familie ist progressiv und säkular, daher war sie gegenüber meiner Kritik am Islam und der muslimischen Gesellschaft tolerant. Aber als ich anfing, die Hamas zu kritisieren und das Existenzrecht des israelischen Staates zu verteidigen, beendeten mein bester Freund und mein Bruder ihre Beziehung zu mir. Dadurch wurde mir etwas klar, was ich schon lange wusste, aber nicht in Worte fassen konnte: Palästina ist auch eine Religion.           

Luai Ahmed, Kolumnist der schwedischen Nachrichten-Website „Bulletin“.


 

Der Nakba-Begriff

 

- So ist es kennzeichnend, wenn der Unabhängigkeitskrieg von 1948 in der anti-israelischen Propaganda als Nakba - als Katastrophe bezeichnet wird, ein Begriff, der sich ebenfalls erst in den 1960ern bildete, und der die Erzählung von der Vertreibung der Palästinenser in der arabisch-muslimischen Hemisphäre kultivierte. Von der Muslimbruderscghaft, bzw. vom Propagandasender Al Jasirah publiziert kommen diese Verfälschungen und historischen Unterschlagungen im Stile sachlicher geschichtlicher TV-Dokumentationen daher, den Al Jasirah trefflich zu imitieren versteht. 

Die Tatsache, dass nach dem Krieg von 1948 das Westjordanland und Ostjerusalem von Jordanien  und der Gazastreifen von Ägypten besetzt worden war, taucht in diesen Darstellungen nicht auf. Ebensowenig die Vertreibung der Juden aus den arabischen Ländern, wie auch aus Samaria und Judäa im Westjordanland, einem seit Jahrtausenden von Juden bewohnten Gebiet. Auch die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung Ostjerusalems, wo die jordanische Besatzung 1948 die Synagogen zerstörte und mit den Grabsteinen jüdischer Friedhöfe die Strassen pflasterte, findet in diesen Darstellungen keine Erwähnung. Und auch nicht das Massaker an den Juden Hebrons von 1929, das zur Vertreibung der dortigen, seit drei Jahrtausenden ansässigen jüdischen Bevölkerung führte.

 

- Überhaupt stellt der Begriff der Nakba ein Beispiel der nachträglichen Stilisierung des mit der Staatsgründung Israels und dem darauf folgenden Angriff der fünf arabischen Nachbarstaaten verbundenen Konfikts dar, der einmal mehr belegt, dass sich für die Palästinenser niemand interessieren würde, wenn es sich bei Israel nicht um den Staat der Juden handeln würde.

 

- Das Schicksal der Palästinenser wäre so wenig zur Katastrophe stilisiert worden, wie die anderen Konflikte unter der arabischen Bevölkerung der Region. An einigen von ihnen waren Palästinenser nicht minder beteiligt oder die Leidtragenden. So etwa im kurzen jordanischen Bürgerkrieg, als die PLO versucht hatte gegen das Königshaus zu putschen. Im September 1970 führte das zu einer Militäraktion der Regierung, bei der, Schätzungen zufolge, bis zu 40 000 Palästinenser getötet wurden. Die PLO hatte sich darauf in den Libanon abgesetzt, was zum Konflikt mit den libanesischen Christen und Drusen führte und sich zum libanesischen Bürgerkrieg ausweitete. Nachdem die PLO sowie verbündete Milizen vom Libanon aus anhaltende Artillerie-Attacken und Terroranschläge gegen Israel geführt hatten,  griff 1982 auch das israelische Militär in den Bürgerkrieg ein.

Oder das Massaker von Hama im Jahre 1982, bei dem die syrische Regierung den dortigen Aufstand der Muslimbrüder niederschlug. Es kam zu 20 000 Todesopfern, nachdem das Militär kurzerhand mit Panzern und schwerer Artillerie gegen die Stadt vorrückte.

Als Nakba wurde keiner dieser Konflikte gewürdigt. Dieser Begriff wurde nur im Zusammenhang mit Israel generiert.

 

- Stets wird in der Terminologie der Medien vom "Westjordanland" gesprochen, und nicht etwa von Judäa und Samaria, wie die Namen der Landstriche seit biblischen Zeiten lauten und wie sie nicht nur von der jüdischen, sondern auch von Teilen der arabischen Bevölkerung genannt werden. 

 

- Zu "palästinensischem Land" wurden das Westjordanland sowie Ostjerusalem  und der Gazastreifen erst, als diese im Sechs-Tage-Krieg von 1967 durch Israel erobert worden waren.  Jordanien und Ägypten traten darauf großzügig von ihrem Besatzungsanspruch zurück und erklärten die Gebiete zu Palästinenserland. Man hatte auf diese Weise mit den Palästinensern ein Pfand gegen Israel in der Hand, einhergehend mit dem andauernden Flüchtlingsstatus. Gleichwohl bot Israel kurze Zeit nach dem Sechs-Tage-Krieg die Rückgabe der besetzten Gebiete gegen Frieden an. Im sogenannten dreifachen "Nein" der arabischen Staaten beim Treffen in Khartum -  Nein zum Frieden mit Israel, Nein zur Anerkennung Israels und Nein zu Verhandlungen mit Israel -  wurde jedoch jeglicher Friedensvertrag mit Israel abgelehnt. Nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973 änderten allein Ägypten und Jordanien diese Haltung.

 

- Die Bezeichnung Palästina wurde der Region von den Römern verliehen, die nach dem niedergeschlagenen letzten Aufstand der jüdischen Bevölkerung, jegliche Erinnerung an das Land Israel und die Juden tilgen wollten. Sie nannten das Land von da an "Philistea", in Anlehnung an die Philister, ein Seevolk, vermutlich europäischer Herkunft, das einst in Gaza herrschte.

 

- Tatsächlich findet sich eine heterogene Bevölkerung, wie sie möglicherweise über die Jahrhunderte in der Region existierte, am ehesten im heutigen Israel wieder, wo die Bevölkerung zu 20% aus arabischen Israelis besteht, die etwa im Parlament vertreten sind sowie in Justiz, Behörden, Polizei und Militär.

Auf diese Weise ist Israel das einzige Land in der Region, in dem  Muslime frei wählen können und gewählt werden können und in dem gegenwärtig Araber, Christen als auch Muslime, unter rechtsstaatlichen, freiheitlich-demokratischen Bedingungen leben können. Auf diese Weise genießen etwa Drusen und Bahai in Israel Freiheit und Schutz, während sie in den umliegenden islamischen Ländern Verfolgungen ausgesetzt sind.

 

- Im Jahre 2023 hatte sich der Konflikt um die armenische Enklave Berg Karabach zugespitzt. Aserbaidschan hatte die Region schließlich mit einer Blockade belegt, die weder Nahrungsmittel noch medizinische Hilfsgüter für die Armenier durchließ. ein ehemaliger Chefankläger des IGH in Den Haag wertete dies als Genozid durch eine geplante Hungersnot. Im September 2023 erfolgte dann eine großangelegte Militäroffensive,  in deren Verlauf die armenische Enklave durch Aserbaidschan erobert wurde. Etwa 200000 armenische Christen wurden bis zum 27. September vertrieben.

Das war zehn Tage vor dem Massaker der Hamas und dem anschließenden Gaza-Krieg.

Das Thema schaffte es kaum in die Nachrichten und wurde in den Medien kaum behandelt, nicht zuletzt, weil die Bundesregierung diplomatische Skrupel gegen das Rohstoffland Aserbaidschan wie auch gegenüber der Türkei, die Aserbaidschan unterstützt hatte, walten ließ.

 

- Erwartungsgemäß war man nach dem 7. Oktober im verschwörungstheoretischen Treibhausklima schnell bei der Hand, das Massaker der Hamas wegen der Ignoranz und Lähme der israelischen Behörden gegenüber zuvor erfolgten Warnungen und der mangelnden militärischen Koordination, als inszeniert oder mit Kalkül zugelassen zu interpretieren. Dies ungeachtet der Tatsache, dass es im Vorfeld jeglicher Terroranschläge, etwa des Anschlags vom Bataclan, des Attentats vom Magdeburger Weihnachtsmarkt oder des Attentats vom Berliner Breitscheidplatz zu einer Vielzahl von Warnungen und rätselhaften behördlichen Entscheidungen gekommen war, die den Terrorakt ermöglicht hatten.

Anders als im Falle Israels und des Massakers vom 7. Oktober waren Verschwörungstheorien hier kaum zu vernehmen.

 

- Zugleich mit dem Verlauf des Gaza-Krieges in der Folge des 7. Oktobers, eskalierte im Sudan der Bürgerkrieg zwischen der Regierung und den vom Iran als auch von Saudi Arabien und Russland unterstützten islamistischen Milizen, so dass es schließlich zum Zusammenbruch des Staates kam. Die Zahl der Todesopfer wird zum Ende des Jahres 2023 auf Dreissigtausend geschätzt, die der Vertriebenen auf über 100000, von schlimmstem Hunger betroffen sind dort im Jahre 2024, laut unicef, 638 000 Menschen.

Keiner dieser Konflikte, einschließlich des Bürgerkriegs im Jemen oder der türkischen Angriffe auf die Kurdengebiete und deren Besetzung wurde in der Weise zum Thema oder löste gar Massendemon-strationen aus, wie Israels Kampf gegen die Hamas-Diktatur in Gaza, um künftige Massaker zu verhindern.

 

- Der Grund für dieses, im Vergleich mangelnde Interesse an anderen Konflikten, sei, so sagt man, die Tatsache, dass dort keine Juden beteiligt sind, sondern sich Muslime mit Muslimen bekriegen oder sich Muslime gegen Christen wenden.

 

 

 

Von 2015 bis 2023 hat die UN-General-versammlung allein 154 Resolutionen ausschließlich gegen Israel verabschiedet und insgesamt 71 gegen andere Länder. 

 Die UN-Watch-Datenbank dokumentiert außerdem, dass der UN-Menschenrechtsrat von 2006 bis 2024 allein 108 Resolutionen gegen Israel, 45 gegen Syrien, 15 gegen den Iran, zehn gegen Russland und 4 gegen Venezuela verabschiedet hat.                                                                                             unwatch.org


 

- Sobald es um Juden und Israel geht, scheint die Weltöffentlichkeit stets ein leidenschaftliches Engagement für Parteien zu entwickeln, bei denen die Vernichtung der Juden, so in der Charta der Hamas, zur erklärten Absicht gehört. UN-Gremien agieren dabei als Interessenvertretung der übelsten Menschenrechtsverletzerstaaten. Dort werden Resolutionen verabschiedet, die sich besonders gerne gegen Israel richten. Darunter so brisante Vorwürfe wie die Benachteiligung der Frauen - unterzeichnet vom Iran oder von Saudi Arabien. Tatsächlich wird der jüdische Staat vom UN-Menschenrechtsrat öfter verurteilt als alle anderen Länder der Welt zusammen. Israel und seine vermeintlichen oder konstruierten Verstöße sind permanenter Tagesordnungspunkt.

Zugleich haben diese Gremien noch nie eine Resolution verabschiedet, in der etwa die Grenzverschiebungen der Türkei in Syrien und das militärische Vorgehen gegen die Kurden verurteilt werden oder die Menschenrechtsverletzungen in Algerien, Saudi-Arabien, China, oder Pakistan auch nur zur Sprache gebracht. Der UN-Menschenrechtsrat stellt gleichsam das Organ eines global institutionalisierten Antisemitismus dar. 

 

- In der westlichen Hemisphäre kommt jedoch zum instinktiven kollektivistischen Judenhass noch ein anderes Motiv hinzu: Einmal nimmt man es den Juden besonders übel - indem sie unterschwellig für den Impuls der Emanzipation des Einzelnen stehen - wenn sie selber kollektivistische Gesellschaften bilden. Der Wahn einer mächtigen internationalen jüdischen Vernetzung und Verschwörung - entgegen der judenfeindlichen  Realität in den internationalen Gremien - scheint hier symptomatisch. 

 

- Hinzu kommt die Unterstellung einer moralischen Anmaßung der Juden als "auserwähltes Volk", an der sich die Bereitschaft, gerade ihnen eine moralische Verfehlung nachzuweisen, gerne entzündet. 

Ein ähnliches Motiv wie etwa die Thematisierung des Missbrauchs in der Kirche, über den besonders eifrig berichtet wird, obwohl die Fallzahlen sich statistisch unterhalb derer anderer Institute, etwa Sportvereine oder Schulen bewegt,

 

- Aber kann man Israel-Kritik mit Antisemitismus gleichsetzen?

 

- Wenn Israel mehr kritisiert als andere Länder, was allein anhand der UN-Resolutionen ersichtlich wird. Bereits der konstituierte Begriff "Israelkritik" bezeugt nichts anderes: das Wort verzeichnet bei der Google-Suche binnen Sekunden eine unvergleichliche hohe Ergebniszahl, die jegliche andere Wortverbindung einer Nation mit dem Begriff der Kritik um das mehr als hundertfache übertrifft.

Auch findet sich das Adjektiv "israelkritisch"in der Online-Ausgabe des Dudens. Dort definiert als: "Dem Staat Israel kritisch gegenüberstehend." Hingegen erscheinen Begriffe wie "türkeikritisch", USAkritisch", russlandkritisch", "chinakritisch", oder "irankritisch", dort gar nicht, noch sonst irgendwo in nennenswerter Häufigkeit. Wie gesagt: Wäre Israel kein Staat der Juden, würde sich kein Mensch für das Schicksal der Palästinenser interessieren.

 

- Warum ist das so?

 

 

 

Das Schuldgefühl der Industriegesellschaft

 

 

 

- In jeder technischen Methodik liegt eine Verdrängung des Gewachsenen der Gestalt. Aus diesem Grunde entstanden die Museen zur gleichen Zeit wie die Fabriken - man wollte die verdrängte Gestalt bürgerlich konservieren und im Ziergarten des Kunstbetriebs züchten. Deshalb hat die Industriegesellschaft ein grundlegendes Schuldgefühl. Eine Beunruhigung die aus dem Kurzschluss des Weges und der Benutzung der Maschine kommt. Friedrich Georg Jünger formulierte dazu die Bemerkung:

"Auch der kleinste technische Arbeitsvorgang verbraucht mehr an Kraft, als er hervorbringt ... Die Technik schafft keinen neuen Reichtum, sie baut den vorhandenen ab ... Jenem Gefühl eines metaphysischen Hungers, das uns beim Anblick der Maschine ergreift, entspricht der physische Hunger: Die Nahrung wird knapper."      (Die Perfektion der Technik /  Friedrich Georg Jünger)

 

- Das Schuldgefühl im Industriestaat verlangt indes nach einem Sündenbock. Und das scheint eine nicht unwesentliche Rolle bei der einseitigen Berichterstattung zum Nahostkonflikt zu spielen. Nämlich die Vorstellung, ein moderner Industriestaat bekämpfe eine, in scheinbarer Ursprünglichkeit verbliebene Clan-Gesellschaft mit Eselskarren. Deshalb werden die Palästinenser auch seit Jahren von der UNO am Tropf genährt. So war der Lebensstandard in Gaza vor dem 7. Oktober 2023 ungleich höher als in den arabischen Nachbarländern. Es gab eine bessere Schulbildung, und Gesundheitsfürsorge, die Lebenserwartung  lag mit 74,6 Jahren einige Jahre über der, des Nachbarlandes Ägypten, im Westjordanland liegt sie bei 75 Jahren und ist damit höher, als die der Türkei. Einzigartig in der Welt, wurde eine eigens eingerichtete Hilfsorganisationen nur für die Palästinenser gegründet, die UNRWA. In den von dieser Organisation herausgegebenen Schulbüchern  wird palästinensischen Kindern der Hass auf  Juden eingetrichtert und etliche Mitglieder des Instituts hatten sich nachweislich am Massaker vom 7. Oktober beteiligt.

 

- Für die Palästinenser ist das fatal, da sie trotz höherem Lebenstandard als in den Nachbarländern, in einer Zeitlosigkeit leben, in dem eine eigenständige individuelle und gesellschaftliche Entwicklung kaum möglich ist.  

 

- In der Einseitigkeit der Sicht auf den Nahostkonflikt will die globale Industriegesellschaft ihr Schuldgefühl loswerden und projiziert es auf Israel. In dem Israel verurteilt wird und die Hamas romantisch verklärt, hofft man die Schuld der verdrängten Gestalt, die Verdrängung des Gewachsenen in der Industriegesellschaft loszuwerden.

 

- Aber warum sollte sich diese Projektion gerade bei Israel und den Juden bündeln?

 

- Der Staat ist stets bestrebt, den Einzelnen auf eine Funktion der Gemeinschaft zu reduzieren. In der Staatsbildung liegt daher eine kollektivistische Zugehörigkeit, der sich Israel zu enthalten hat. Es widerspricht der Anlage und Geschichte des Volkes Israel, ein Staatskonstrukt "wie die anderen Völker" zu haben. Vielmehr gilt es, ein föderatives Gemeinwesen zu entwickeln. Dies war auch das Anliegen der Vertreter der kulturzionistischen Bewegung, zu denen Martin Buber zählte. Diese strebten im Unterschied zum Volkszionismus des Theodor Herzl, ein nicht-staatliches, vielmehr föderatives Gemeinwesen an, in dem sich einzelne Verbände zu größeren Verbänden organisieren sollten, auch und gerade in Konföderation mit den Arabern. 

Dies im Sinne der biblischen Föderation der zwölf Stämme, deren Zusammenhalt nicht auf einer Gemeinschaft um der Gemeinschaft willen basierte, sondern sich aus einer geistigen Orientierung, der Hinwendung zum Prinzip der Identität ergab.      martin buber und theodor herzl >>

 

- Dieser gewachsene kulturelle Zusammenhalt der Zwölf Stämme wurde aufgegeben, als das Volk, in der Erfahrung der Schwäche gegenüber den Angriffen der Philister, vom Propheten Samuel verlangte, "auch einen König wie die anderen Völker" zu haben. 

 

- Ähnlich artikulierte Theodor Herzl sein Konzept,  den Juden auch einen Nationalstaat zu verschaffen, wie ihn die anderen Völker haben, mit der Begründung, dem Antisemitismus damit die Grundlage zu entziehen. Auf diese Weise würden die Nationen die ungeliebten Juden los und diese kämen zu einem eigenen Staat.

 

 

 

Erster Zionistischer Kongress, 29. August 1897, Basel, 09:00 Uhr

 - Im astrologischen Bild der ersten Zionistischen Konferenz wird die zeitgenössische Situation anhand der Stellung von Neptun und Pluto im Zeichen Zwillinge anschaulich. Neptun und Pluto waren sechs Jahre zuvor in Konjunktion getreten. Eine Epochen-Konstellation, die jene Entwicklung der Nationalstaaten anzeigt, in der, entsprechend dem Zeichen Zwillinge, das für die Regelung des Gemeinschaftlichen steht, die Vorstellung von der Reinheit einer völkischen Geschlossenheit zur kollektiven Regelung werden soll, mit der das Fremde, dem kollektivistischen Volksbegriff nicht Zugehörige, zum Träger des Verdrängten gemacht, und letztlich ausgestoßen oder eliminiert werden soll.

Bereits im Zuge der französischen Aufklärung war, mit Rousseaus  Parole "zurück zur Natur" das Volk als das "natürliche" Bestimmende des Staates, definiert worden.

 

 

- Die Konferenz stellt eine Reaktion auf dieses Entwicklung dar. Die Vorstellung von der völkischen Reinheit hatte das Klima geprägt, aufgrund dessen es zu einer verstärkten Verfolgung der Juden gekommen war. Bei dem Anliegen, man möge den Juden ein Stück Land verkaufen, um sie dorthin auszuwandern zu lassen, hatte Herzl zunächst nicht an Palästina, das damals noch osmanische Djund al Urdun, gedacht, sondern an andere wenig besiedelte Regionen, so etwa in Afrika oder in Südamerika. Erst später richteten sich die Absichten auf Palästina, das dann im Programm der Konferenz genannt wurde. 

 

- Es war die Judenfeindschaft, die 1894 in Frankreich im Zusammenhang mit der Dreyfus-Affäre offenbar wurde, die Herzl zu seinem Buch "Der Judenstaat" veranlasste. Diese Affäre, die knapp drei Jahre zuvor begann, ist im Horoskop des Kongresses als Neptun-Pluto-Auslösung angezeigt, ausgelöst durch Skorpion, der, rhythmisch im Uhrzeigersinn ins erste Haus ragend, über die Sieben-Jahres-Phase vor dem Ereignis herrscht.

Der jüdisch-elsässische Offizier Alfred Dreyfuß war anhand von fingierten Beweisen und im Zusammenhang mit antisemitischen Intrigen innnerhalb der Armee im September 1894 der Spionage bezichtigt worden. Die Verhaftung und anschließende Verurteilung vom 22. Dezember 1894, verbunden mit einer  judenfeindlichen Kampagne in ganz Frankreich, fallen exakt auf die Auslösung des Neptun, 2,7 Jahre vor dem Kongress.

 

- Es zeigt sich, dass heute dem Staat  Israel eine ähnliche Entrechtung widerfährt wie über die Jahrhunderte den  Juden als Einzelne. Daher die Aussage, Israel sei heute der Jude unter den Staaten.

  

- Martin Buber bezeichnete seinerzeit die Gründung eines jüdischen Nationalstaats als "nationale Assimilation". Etliche Jahre vor der Gründung und vor seiner Emigration hatte er eine Auseinander-setzung mit Stephan Zweig, über die Zukunft eines jüdischen Gemeinwesens im Heiligen Land. Zweig war von dem Gedanken einer jüdischen Nation, mit "Paraden und Kanonen" befremdet. Buber antwortete ihm, von Paraden und Kanonen wisse er nichts, aber von neuen alten Formen der gesellschaftlichen Organisation, basierend auf dem freien Gefüge der Verbände. Es kam anders.

 

- Buber plädierte später gegen eine israelische Staatsgründung. Und als sie nicht mehr zu verhindern war, trat er für einen bi-nationalen jüdisch-arabischen Staat ein, nach dem Vorbild anderer Staaten mit gemischten Ethnien, etwa Belgien oder der Schweiz. Aber auch darin wurde nicht auf ihn gehört.

 

- Jeder Staat läuft darauf hinaus, den Einzelnen auf eine Funktion der Gemeinschaft zu reduzieren. Daher ist die Forderung eines nichtstaatlichen Gemeinwesens bei den Juden, indem sie die Emanzipation des Einzelnen in die Menschheitsgeschichte eingebracht haben, kompromißloser gegeben, als bei anderen Völkern. Dies gilt auch für die Deutschen.

 

- Warum für die Deutschen?

 

  

 

Michael

 

- Wegen der Sprache. Das Verhältnis zum Angesprochenen ist ein Ähnliches. Das Deutsche hat wie das Hebräische eine etymologische Transparenz, in der sich über die Verbindlichkeit und Bedeutung der Worte das Angesprochene erschließt, gleichsam durchscheint. Sie ist ein Fenster. Anders als etwa im eher berichtenden, übereinkunftsvermittelnden Englisch. Auch die deutliche bis harte Absetzung der Konsonanten im Deutschen ähnelt dem Hebräischen. Die Sprache ist hier ein Drittes zwischen zweien.  

Vielleicht hat es damit zu tun, dass die Juden der deutschen Sprache in besonderer Weise zugeneigt sind.

Und vielleicht hat es mit dem Erzengel Michael zu tun, der sowohl der Schutzpatron der Juden als auch der Deutschen ist.

 

- Der ursprüngliche Reichsgedanke des Heiligen Römischen Reiches war ebenfalls der, eines föderativen Gemeinwesens, in der Hinwendung zu einer gemeinsamen geistigen Orientierung. 

 

- Die Ansicht, nach der die Völker einen Schutzengel haben, geht auf das Buch Daniel, 12, 1 zurück, wo es heißt: Zu jener Zeit wird sich der Engelfürst Michael erheben, der für die Kinder deines Volkes einsteht.

 

- Michael entspricht dem Saturn und damit dem vierten, der vier astrologischen Quadranten. Er trennt Subjekt und Objekt und stellt es gegenüber. Beim Kampf im Himmel stößt er den Drachen hinab mit den Worten Mi Cha El?Wer ist wie Gott?

 

- Im fünften Jahrhundert hatte sich der Erzengel Michael in einer Grotte auf dem Gargano an der langobardischen Adriaküste geoffenbart. Seither befindet sich dort eine der ältesten und bedeutsamsten Pilgerorte des Mittelalters, die Michaelsgrotte von Monte Sant'Angelo. Von ihr ging der Michaelskult aus, der für das christliche Europa prägend sein sollte. Im Jahre 1022 hatte dann Kaiser Heinrich II den Ort aufgesucht, und den Erzengel gefragt, ob er der Schutzpatron der Deutschen werden wolle. Wenn sie sich würdig erweisen sollten, war die Antwort. Seitdem gilt Michael als Engel der Deutschen.  

Der SCH-Laut >>

 

- Michael steht für die Bestimmung der Grenze von Ich und Du, innen und außen, früher und später, für die Bestimmung des Einzelnen in seiner Eigenbewegung und seiner Trennung vom Vorgegebenen. Und damit steht er für die Sprache, die zwischen Subjekt und Objekt trennt und vermittelt, sie ist der Bund zwischen Sprechendem und Angesprochenem.

 

- Die Liebe der Juden zur deutschen Sprache ist bekannt.  Etwa 70 Prozent der Juden in der Welt gehören heute den Aschkenasim an. Das sind die Nachkommen der jiddischsprachigen deutschen Juden, die vom Rheinland aus nach Osteuropa, bis nach Russland und Sibirien wanderten. Und später nach Amerika emigrierten.

Das Jiddische stellt das Deutsch des 16. Jahrhunderts dar, mit hebräischen, polnischen oder russischen Einsprengseln. Das in der Bibel stets positiv erwähnte Volk Aschkenas wurde im Judentum des Mittelalters mit den Deutschen identifiziert.

In einem Schriftstück Kaiser Konstantins aus dem frühen vierten Jahrhundert wird die Stellung der Juden in der Kölner Bürgerschaft definiert. Die jüdische Gemeinde von Köln stellt damit die älteste urkundlich erwähnte jüdische Gemeinde nördlich der Alpen dar. Da die Stadt zeitweilig Hauptstadt des Frankenreichs war und sich von Köln und dem Rheinland, später von Aachen aus, die fränkische Herrschaft ausdehnte, dürften die rheinischen Juden an der Sprachentwicklung des Deutschen einen Anteil haben. Eine frühe Verschriftlichungen der deutschen Sprache in hebräischer Schrift entstand  bereits in einem Wormser Gebetbuch von 1270, der Wormser Machsor enthält ein mit hebräischen Buchstaben niedergeschriebenes Gebet auf deutsch. Ebenso der um das Jahr 1300 entstandene Duktus Horant, in dem sich eine Version das Gudrun-Lieds findet. Er wurde um 1890 im Lagerraum der Kairoer Synagoge wiederentdeckt.       

          

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- Einer der Wegbereiter der zionistischen Bewegung war der jüdische Arzt Leon Pinsker. Angesichts der antisemitischen Pogrome in Russland verfasste er 1882 die Schrift "Autoemanzipation". 

Auf der Eingangsseite findet sich ein Satz des Rabbi Hillel: „Wenn ich selbst mir nicht helfe, wer dann? Und wenn nicht heute, wann dann?“

Im Antisemitismus sah Pinsker eine Folgeerscheinung des jüdischen Status:

„Diese geisterhafte Erscheinung eines wandelnden Toten, eines Volkes ohne Einheit und Gliederung, ohne Land und Band, das nicht mehr lebt und dennoch unter den Lebenden umhergeht; diese sonderbare Gestalt, welche in der Geschichte ihresgleichen kaum wiederfindet, die ohne Vorbild und ohne Abbild ist, konnte nicht verfehlen, in der Einbildung der Völker auch einen eigentümlichen, fremdartigen Eindruck hervorzubringen.“ 

 

- Die Sichtweise findet sich später bei den Volks-Zionisten um Herzl wieder. Sie setzt eine Gleichung von Volk, Kultur und Staat voraus und stellt eine Reaktion auf den beginnenden Nationalismus des 19. Jahrhunderts dar. Die kulturelle Eigenart des Judentums und seine Bedeutung für die Individuation, wie Martin Buber sie hervorhebt, spielt darin kaum eine Rolle.  Die Juden werden vielmehr als ein Volk unter anderen gesehen, das angefeindet wird, weil es keinen Ort hat und somit in seiner Eigenart fremd bleibt. Würde es an dieser Eigenart nicht weiter festhalten - oder hätte es einen Ort - würde es auch keine Judenfeindschaft geben - so die Auffassung.

Ähnlich die Ansicht, mit dem Festhalten am Gesetzeskodex hätten die Juden quasi ihre Kultur konserviert und deren natürlichen Untergang verweigert, während andere Kulturen den Untergang akzeptiert hätten. Der damit verbundene Regelungszwang besetze das Bewusstsein und verhindere den Fluss des Lebens. Daraus erwachse die Feindschaft gegenüber den Juden.

 

- Eine Sicht in der die Eigenarten der Kulturen unverstanden, gleichsam neutralisiert erscheinen, wie Vereinsfarben konkurierender Fusballmanschaften, ohne Aussage im Sinne der Entwicklung des Menschen zur Individuation hin, und ohne die Bedeutung, die dem Judentum wie dem Christentum für die Emanzipation des Einzelnen und für die Bildung eines Ich-Bewusstseins zukommt,

wie sie sich etwa im Bild der Ägyptischen Gefangenschaft, als Entsprechung der Saturn-Pluto-Verbindung zeigt,  bei es um die Befreiung des Einzelnen aus der Fremdbestimmtheit des Kollektivs geht.

 

- Insofern erscheint es nur als Widerspruch, wenn das Judentum die Achtung vor dem Leben des Einzelnen hervorgebracht haben soll und es sich zugleich durch einen Kodex detaillierter Regelungen auszeichnet:  Es ist der Widerspruch einer Entwicklung. Und der mit ihr verbundenen Krise. 

 

- Der Gegensatz ergibt sich gerade aus dem Konflikt des Einzelnen mit der Prägung der Gemeinschaft.

Deswegen hat das Zeichen Löwe am Aszendenten, bei dem die Freiheit des unmittelbaren Lebens angelegt ist, den Steinbock im fünften Haus - weil es hier um die Bestimmung der freien Bewegung des Einzelnen geht.

 

- Wenn die Bestimmung des Einzelnen im Sinne einer aus sich hervorgebrachten Bewegung nicht zugelassen wird, muss sie zum äußeren Bestimmenden der Gemeinschaftsregelung werden - der Saturn, als Bestimmung des Einzelnen, wird zum äußeren Regelungszwang. Ein gesellschaftliches Exoskelett gleich einem Insektenstaat.

Zu diesem Konflikt kann es indes nur dort kommen, wo der Impuls der eigenen Bewegung des Individuums und die Achtung vor dem Leben des Einzelnen überhaupt erst aufkommt und ins Bewusstsein tritt. Daher musste die Ägyptische Gefangenschaft die Voraussetzung bilden, damit der Impuls zur Ich-Aufnahme, der Impuls zur Identität an den Menschen herantreten konnte.

Mit dem Erhalt der Gesetzestafeln auf dem Berge Sinai war der Mensch erstmals als Einzelner gegenüber dem Himmel angesprochen. Wobei die Gesetze nicht wesentlich waren, vielmehr ging es um das dialogische Verhältnis, das zunächst in diesen zum Ausdruck kommt. Ähnlich einem Kind, dessen Entwicklung zur Eigenständigkeit zunächst von den elterlichen Weisungen begleitet sein mag. Und das ihnen später als Person gegenübersteht.                       die tafeln >>

 

- So war bei der Verkündung der Thora am Sinai der Mensch, zwar noch im Volk, aber dennoch erstmals als ein Einzelner angesprochen, der in einer persönlichen Beziehung zu Gott steht.  Nicht mehr war ein Pharao der Vermittler und Repräsentant der Gottheit, sondern jeder Einzelne im Volk, dies wird ausdrücklich hervorgehoben, vernahm die Ansprache.

 

- Aus diesem Grunde sollte Moses, als es zum zweiten Mal während der Wüstenwanderung zu Wassermangel gekommen war, auch nicht mehr, wie zu Beginn der Wüstenwanderung und Jahrzehnte vor dem Sinai-Ereignis, mit seinem Stab auf den Felsen schlagen, damit Wasser hervorquelle, sondern er sollte sprechen zum Felsen. Der Stab war zuvor Signum der Kraft die dem Führer des Volkes zukam. Nun sollte Moses ihn beiseite lassen und sprechen. Den Stab hatten nur er und Aaron, die Sprache aber war jedem gegeben.

 

- Die Autokratie sollte enden. Moses aber befolgte die Weisung nicht und beharrte auf dem Privileg des Vermittlers und Volksanführers. Er schlug abermals mit dem Stab auf den Felsen, so dass Wasser hervorkam. Wegen dieser Verfehlung durfte er das versprochene Land nicht betreten. (siehe: Warum Moses das versprochene Land nicht betreten durfte >>)

 

- Die spätere Emanzipation wurde durch den Propheten Jeremia artikuliert:

Ich werde meine Lehre in ihr Inneres legen und auf ihr Herz werde ich sie schreiben. .. Dann wird nicht mehr einer seinen Nächsten oder einer seinen Bruder lehren und sagen: Erkenne den Ewigen! Denn sie alle werden mich erkennen von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten. (Jer. 31,34)

Auch in der frühen Kirche war man sich dieses essentiellen Anarchismus bewusst. So formulierte der in der Orthodoxen Kirche geschätzte Gregor von Nyssa kategorisch eine autoritätsunabhängige ethische Erkenntnis: 

Mehr als alles andere wichtig ist, dass wir keinerlei Notwendigkeit unterworfen und keiner Macht in Hörigkeit untergeben sind; sondern es steht bei uns, zu tun nach eigenem Ratschluss und Belieben. Denn die Tugend ist eine Sache der Freiwilligkeit und keiner Herrschaft untertan. Was aus Zwang und Gewalt erwächst, ist ebendeshalb keine Tugend. (Gregor von Nyssa, de hominis opificio)

 

 

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- Das Judentum hat die Bestimmung des Einzelnen in die Menschheit gebracht. Darum die biblische Rede vom auserwählten Volk. 

 

- Der Gesetzeskodex ist nur die andere Seite, ist die Kompensation der Verweigerung der Bestimmung des Einzelnen in dem die Bestimmung durch das Bestimmende der Regeln ersetzt wird.

 

- Zugleich kann dieser Konflikt nur entstehen, wo überhaupt die Bestimmung des Einzelnen gefragt ist. Das war der Auszug aus Ägypten und die Verkündung der Gebote am Sinai. Im Judentum wird das auch genauso gefeiert nämlich als die Ansprache Gottes an den einzelnen Menschen. Das ist die Befreiung aus der ägyptischen Gefangenschaft, die für die Gefangenschaft in der Funktion des Kollektivs steht.

 

- Die Juden haben den Impuls der Befreiung aus der ägyptischen Gefangenschaft, aus der Befreiung der Fremdbestimmung durch das Kollektiv, in die Welt gebracht, jedoch als Gemeinschaft. Dies war nötig, damit aus den Juden der Christus hervorgehen und mit Christus der Indviduationsimpuls des einzelnen Menschen Wirklichkeit werden konnte. Der Hass auf die Juden ist der Hass auf den Menschen, auf das menschliche, auf das nicht regelbare. Es ist der Hass auf Christus. (Leon Bloy)

 

- Indem die Juden als Volk den Impuls der Vereinzelung  in die Welt brachten, befinden sie sich in der Zone der Gefahr. Sie haben sich jeglicher Gemeinschaftsbestimmtheit zu enthalten, alleine aus der Beziehung des Einzelnen zu seinen Mitmenschen heraus ein Gemeinwesen zu bilden. Nur ein gewachsenes, föderatives Gemeinwesen kann dem entsprechen.

 

- Damit liegt es den Juden nicht, einen Staat zu bilden. Denn im Staat ist der Einzelne nur Funktion der Gemeinschaft. 

Zwar entkommen der ägyptischen Gefangenschaft, aber noch nicht angekommen in der Bestimmung des Einzelnen, wo ihm nichts geschehen kann, da er nirgends zugehörig ist. Das Schicksal der Juden steht hierbei für das Schicksal des Menschen in der technokratischen Fremdbesetzung.

 

 

 

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(C) Herbert Weiler, August 2025