Der Essay ist enthalten in dem Buch

Die Vögel und die Farben

Achtzehn Essays und Betrachtungen

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Schulzwang

 

 

- In seinen Tagebüchern erwähnt Ernst Jünger einmal den Schulzwang als einen der fundamentalsten Zwänge der Demokratie und des sich auf Reformation, Aufklärung und vorgeblicher Emanzipation des Individuums berufenden modernen Staatswesens. Der, obwohl er im elementaren Widerspruch zur Freiheit des Individuums steht,  kaum als solcher wahrgenommen würde.

 

- Jünger war vierundzwanzig als die allgemeine Schulpflicht in Deutschland eingeführt wurde. Das war im Jahre 1919 unter der Weimarer Demokratie.

 

- Ähnlich wie De Maistre >>, der Kritiker der französischen Revolution, bezweifelte er eine größere Freiheit des Einzelnen im modernen, vorgeblich demokratisch organisierten Staat, vielmehr erblickte er eine Zunahme des Gemeinschafts- und vor allem Regelungszwangs und eine Neutralisierung des freien Wachstums.

 

- In seinem Roman Eumeswil  beschreibt Jünger einen Stadtstaat, der sich nach einem großen, weltweiten Krieg an einer Mittelmeerküste gebildet hatte. Regiert wird das Gemeinwesen von einem Mann, der der Condor genannt wird. Eines Tages war er mit seiner bewaffneten Miliz vor den Toren erschienen und hatte kurzerhand die Macht in der zuvor von demokratischen Gremien regierten Stadt übernommen. 

In den Augen des Ich-Erzählers, der eine Tätigkeit als Nachtstewart auf der Kasbah des Condors verrichtet, scheint die Entmachtung der früheren Behörden kein Verlust. Eine der ersten Regelungen der Vertreter der damaligen demokratischen Obrigkeit hatte darin bestanden, so der Erzähler, den Menschen zu verbieten, sich das Salz am Meeresstrand zu holen, wie es bislang selbstverständlich war. Der Condor hob dieses Verbot wieder auf. 

 

- Jünger übernahm diese erzählerische Wendung der englischen Politik in Britisch Indien. Wegen des Salzmonopols hatte die englische Kolonial-Regierung den Einheimischen verboten, sich das Salz, wie seit Jahrtausenden üblich, vom Meeresstrand zu holen. Diese Maßnahme bewog Gandhi im Jahre 1930 zu seinem Salzmarsch, einer vierundzwanzigtägigen Fußreise zur Küste um in offener Zuwiderhandlung gegen das britische Verbot am Strand sein Salz zu sammeln. Die Bevölkerung tat es ihm nach, einschließlich der indischen Parlamentsmitglieder. Es kam zu Massenverhaftungen durch die britische Regierung. Dieser Akt geriet zum Auftakt der Befreiung Indiens aus der britischen Kolonialherrschaft. 

 

- Jünger erblickte darin offenbar ein Exempel der Hypokrisie des moralischen Anspruchs und zugleich der Verwerfungen, wie sie in demokratischen Gesellschaften zwangsläufig entstünden, indem Autorität, nicht mehr von Personen vertreten wird, sondern neutralisiert als Sachzwang auftritt. Nicht nur können Machtansprüche auf diese Weise eher durchgesetzt werden von jenen, die sie am besten als Sachzwang zu verkleiden wissen - auch neigt der Sachzwang dazu, sich zu verselbständigen.

 

- Den absolutistischen Staat betrachtete er als eine Vorform des demokratischen Staats. So vergleicht er an anderer Stelle den alten Feudalismus mit dem gewachsenen Mischwald, den Absolutismus mit der Monokultur. Die Demokratie sei schließlich der Kahlschlag.

 

- Nachdem man in Deutschland die allgemeine Schulpflicht installiert hatte, wird der Schulzwang hier bis heute mit einem Selbstverständnis gehandhabt, welches sich von einer weitaus geringeren Rigidität der Handhabung in anderen Ländern unbeeindruckt gibt. So besteht etwa in den Nachbarländern wie auch in den beiden anderen deutschsprachigen Staaten Schweiz und Österreich keine Schulpflicht,  sondern lediglich eine Unterrichtspflicht, die auch von Eltern oder anderen Personen erfüllt werden kann. Deutschland hingegen wurde sogar, was kaum bekannt ist, wegen seiner Auslegung der Schulpflicht als Schulzwang von den Vereinten Nationen gemahnt, weil diese mit internationalen Abkommen nicht vereinbar ist. >>

 

- Allein wurde diese Form des Gemeinschaftszwangs in Form des obligatorischen Besuchs eines staatlichen oder staatlich anerkannten Erziehungsinstituts nicht nur zur Regel erklärt in Deutschland, sondern die Schulpflicht wurde hier auch gleichsam erfunden. 

Eingeführt hatte sie, wie eine bekannte Internet-Enzyklopädie angibt, der zum Calvinismus übergetretene Landesfürst des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken. 

Entsprechend der protestantisch-calvinistischen Arbeitsmoral etablierte Johann I. von Pfalz-Zweibrücken im Jahre 1592 erstmalig die Schulpflicht.

 

- Calvin selber hatte während seines Wirkens als reformatorischer Großinquisitor in Genf bereits die Pflicht der Teilnahme am Gottesdienst verordnet.

 

 

Johann I. von Pfalz-Zweibrücken, geboren am 8. Mai 1550 in Meisenheim, Mittagshoroskop

 

 

- Die besondere Bedeutung des Mittagshoroskops ergibt sich bei Johann I. von Pfalz-Zweibrücken nicht nur aufgrund der epochalen Erfindung der Schulpflicht durch diesen Vertreter des Geburtstags, sondern auch anhand seiner landesfürstlichen Stellung. 

 

- Das Horoskop steht für die Verletzung der Entwicklung des Kindes. Der Mars im Widder in Haus acht agiert hier wie ein Gärtner, der einen noch nicht sichtbaren Pflanzensproß aufdeckt, bevor er zur Sichtbarkeit der Gegenwart erwachsen ist - um ihn zu belehren. Er zieht den noch schlummernden Krokus aus der Erde, bevor er im Frühling ans Tageslicht kommt.

 

- Das achte Haus steht nach der Münchner Rhythmenlehre für das noch nicht Gegenwart gewordene, an der Schwelle zur Gegenwart Befindliche. Mit dem Beginn der beiden Bewegungen des Tierkreises im achten Haus steht das an der Schwelle der Gegenwart Harrende zur Entscheidung an. 

Durch den ebenfalls in Haus Acht stehenden Mars soll dieses noch nicht Gegenwartsreife sichtbar gemacht werden und mit der Jungfrau am AC durchartikuliert werden. Dies, bevor es Gestalt werden kann. Eine Agression gegen das unbefangene unkontrollierte Werden des Kindes, des Menschen.

Es ist die Verletzung der Entwicklung. Damit letztlich die Gestalt verhindernd, indem die Kinder aus ihrer kindlichen Welt und ihrem Bildzugang gerissen und zu einer Informationsaufnahme genötigt werden. Ein zu frühes Erwachsenwerden, das das spätere Erwachsenwerden und die Eigenständigkeit der Person aus dem Urteil des Empfindens Wolfgang Döbereiner verhindert.

Es ist letztlich die Angst der Jungfrau am AC vor dem Unkontrollierbaren des Gegenübers im Zeichen Fische. Die Angst vor dem nicht Regulierbaren des eigenen Anfangs des Menschen.

 

- Die Phase des Widder ist der Frühlingsbeginn. Der Mars, der im März das bisher Verborgene, noch unterirdisch Keimende in die Sichtbarkeit bringt.

In Haus acht mit dem Mars ebenfalls in Haus acht will der Widder als Herrscher des Verbunds das, was noch nicht Gegenwart geworden ist, noch nicht im siebten Haus angekommen ist, vorher aufdecken und artikulierbar machen.  

Damit verletzt er die Grenzen der Gestalt, verhindernd, dass die Gestalt als Gewachsenes gegenwärtig werden kann. Dies bezeugt durch Merkur-Pluto-Saturn, die anzeigen, dass die Begegnung mit den Bildern durch Informationszwang verdrängt wird. Die Schulpflicht nimmt den Kindern das Geheimnis.

 

- Es ist die Angst von Merkur-Neptun im Stier vor dem gemeinschaftlich Unregulierbaren, die kompensatorisch zum Zwang in die Integration wird, mit Jupiter-Venus im Zeichen Zwillinge in Haus zehn.

 

- Dementsprechend löst sich bei Johann im Sieben-Jahres-Rhythmus mit 42 Jahren, als er 1592 die Schulpflicht einführt, über das Zeichen Fische die Merkur-Neptun-Konjunktion im Quadrat zu Saturn in Haus sechs aus. Akut ist bei Einführung der Schulpflicht der Saturn an der Häuserspitze des sechsten Hauses im Wassermann wirksam. Damit anzeigend, dass künftig die Umstände als das Bestimmende gelten.

 

- Zusätzlich im Spiegel stehen noch Mond und Pluto Ende Wassermann sowie die Sonne auf 27 Grad Stier. Unter der Auslösung von Merkur-Neptun-Mond-Pluto, als Regelung der Vorstellung vom Reinen war Johann vier Jahre zuvor vom lutherischen Bekenntnis seiner Sippe zur Lehre Calvins übergetreten.

 

- Dem Schulpflichterlass  Johanns des I.  folgten etliche protestantische Potentaten, während die katholischen Fürstentümer insgesamt eher zurückhaltend waren.  Über 300 Jahre später wurde dann durch die Weimarer Republik eine allgemeine Schulpflicht eingeführt.

 

- Jene in der Welt seltene Rigidität der Verfolgung unterrichtssäumiger Kinder, einschließlich ihrer Eltern, sofern diese den Zwang nicht weitergeben, mit der Kinder durch die Polizei abgeholt werden können und zum Unterricht gebracht werden müssen, wurde jedoch nicht unter demokratischen Verhältnissen zur Regel, sondern während der NS-Herrschaft: Am 6. Juli 1938 wurde das Gesetz über den Schulzwang erlassen: Es lautete unter § 12.

"Schulzwang. Kinder und Jugendliche, welche die Pflicht zum Besuch der Volks- oder Berufsschule nicht erfüllen werden der Schule zwangsweise zugeführt. Hierbei kann die Hilfe der Polizei in Anspruch genommen werden."  http://www.verfassungen.de/de33-45/schulpflicht38.htm

 

Reichsschulpflichtgesetz,  6. Juli 1938, Mittagshoroskop

 

Das Mittagshoroskop der Gesetzesverabschiedung mit der Sonne-Mars-Konjunktion im Krebs, im Quadrat zu Saturn in Haus sieben, und der Merkur-Pluto-Konjunktion auf 28 Grad Krebs, dem Merkur-Pluto-Punkt nach der Münchner Rhythmenlehre, im zehnten Haus stellt die Folge der Einführung der Schulpflicht durch Johann I. dar. Es ergibt das Bild des Funktionszwangs, dem das Leben des Einzelnen unterworfen werden soll - die gezwungene Kindheit. Mit Mond auf der Spitze des zweiten Hauses im Skorpion, der vom Pluto nach Haus Zehn getragen wird, geht es beim Verbundsherrscher um den zum Gesetz erhobenen kollektiven Zwang, die Kasernierung der das Leben der Kinder ausgesetzt ist.

 

- Es ist indes symptomatisch für die sich zunächst antibürgerlich gebärdende ideologische Hysterie der NS-Bünde, dass die Hitlerjugend vier Jahre zuvor noch zur Revolte gegen die Schulpflicht und zum samstäglichen Schulstreik aufgerufen hatte. Am Samstag sollte der Unterricht  für die Betätigung in der Hitlerjugend ausfallen.

Eine Regelung, die man 1938 wieder aufgab, da nun Schulunterricht und Schüler ohnehin vollständig in den NS-Staat integriert waren. 

 

 

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(C) Herbert Antonius Weiler, 2019