Indem wir so alles nur irgend Zweifelhafte zurückweisen und für falsch gelten lassen,

können wir leicht annehmen, dass es keinen Gott, keinen Himmel, keinen Körper gibt;

dass wir selbst weder Hände noch Füße, überhaupt keinen Körper haben;

aber wir können nicht annehmen, dass wir, die wir solches denken, nichts sind;

denn es ist ein Widerspruch, dass das, was denkt, in dem Zeitpunkt, wo es denkt, nicht bestehe.

Deshalb ist die Erkenntnis: "Ich denke, also bin ich" (ego cogito, ergo sum) von allen die erste und gewisseste.

Rene Descartes, Prinzipien der Philosophie, Über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis,. 7

 

 

Martin Buber zu Descartes'  "Ich denke, also bin ich"

 

Wer ihn (Descartes) in der  ersten Person reden hört, dem ist zumute, als hörte er die Stimme der unmittelbaren Selbsterfahrung. Aber dem ist nicht so.  

Das Ich in dem  cartesianischen ego cogito ist nicht die lebendige leibseelische Person,

von deren Leibhaftigkeit ja eben erst als anzweifelbar abgesehen worden war,

sondern das Subjekt des Bewußtseins., als der angeblich allein unserer Natur zugehörigen Funktion.

In der gelebten Konkretheit, in der das Bewußtsein Primgeiger ist, aber nicht Kapellmeister ist,

ist dieses ego gar nicht gegenwärtig.  

Ego cogito bedeutet ja bei Descartes nicht einfach "Ich habe Bewußtsein",,

sondern "Ich bin es, der Bewußtsein hat", also das Produkt einer dreifachen abstrahierenden Reflexion,

 

Zunächst holt die Reflexion, die "Zurückbiegung" der Person auf sich selbst,

aus dem in der konkreten Situation Erfahrenen das "Bewußtsein" (cogitatio) hervor, das dort als solches gar nicht zu erfahren war, sodann stellt sie fest, dass zu einem Bewußtsein ein Subjekt gehört, und bezeichnet dieses, mit dem

Wort "ich",   und schließlich identifiziert sie die Person selbst, diese lebende leibseelische Person, mit jenem "Ich",

das heißt, mit dem abstrakten, in der Abstraktion hergestellten Subjekt des Bewußtseins.

 

Aus dem "Das" der konkreten Situation, welches Empfinden und Empfundenes, Vorstellen und Vorgestelltes,

Denken und Gedachtes umschließt, entsteht zunächst ein "Ich denke das",

das heißt: ein Subjekt denkt dieses Objekt,

dann wird dieses, im Grunde unentbehrliche  "Das" wegegelassen; und nun gewinnen wir die Aussage der Person über sich selbst: also habe ich (nicht mehr das Subjekt,  sondern die lebendige Person, die zu uns spricht)  

reale Existenz; denn im ego soll nun diese Existenz involviert sein.

 

Descartes versucht somit auf dem Wege der Abstraktion die Konkretheit der Ausgangssituation zu gewinnen, aber vergeblich.

Das Ich der lebendigen Person läßt sich nie in solch einer Ableitung, wohl aber im echten Verkehr mit einem Du als existent erfahren.

 

aus:  Martin Buber, Gottesfinsternis, Religion und Philosophie, VII

 

 

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