Sprache und Gegenüber

Der Weg der Zeichen Fische, Wassermann und Steinbock

nach der Münchner Rhythmenlehre in den ersten Versen der Genesis

 

 

Das erste der fünf Bücher Moses erzählt von der Erschaffung der Welt.  Als Genesis wird die Schöpfungsgeschichte gemäß der ersten Übersetzung ins Griechische bezeichnet. 

BeReschitIm Anfang  lautet die Bezeichnung des Buches im hebräischen Urtext. Dies, wie auch bei den anderen Büchern,  entsprechend dem ersten Wort des Textes: Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. So lautet der erste Satz. 

Es heißt Im Anfang, nicht Am Anfang, denn es ist der Anfang aus dem Nichts des Ungeteilten, indem alles enthalten ist und vor dem nichts war, was nicht Nichts war.

 

Bei der weiteren Betrachtung des Textes des ersten Kapitels fällt eine sprachliche Differenzierung ins Auge, die auch in den verschiedenen Übersetzungen nicht untergeht.

Im Anfang werden Himmel und Erde als das erste Gegensatzpaar erschaffen. Es ist die erste

Teilung, die Entstehung von Mitte und Peripherie.

Die Urwasser weichen zurück und lassen in der Mitte das Trockene entstehen.

Inneres und Äußeres. Subjekt und Objekt.  Als Zimzum >> wird das Zurückweichen der All-Einheit zur Peripherie in der jüdischen Mystik bezeichnet.

Dies ist die Entwicklung vom Ungeteilten des Zeichens Fische, den Urwassern, hin zur Polarität im Zeichen Wassermann.

 

Der Begriff des Erschaffens, das Wort schuf - hebräisch bara - kommt zunächst nur im ersten Satz des Textes vor: Bereschit bara Elohim -  Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. Beim folgenden Schöpfungsakt heißt es dann: wa'jomir Elohim: -  Und Gott sprach: Licht werde. Und Licht ward.

Himmel und Erde schuf  er, aber dann, heißt es, Gott sprach: Es werde. 

Hier ist eine Unterscheidung artikuliert.

Der Raum der Sprache war vor der Teilung von Himmel und Erde noch nicht gegeben. Erst nachdem das erste Gegenüber entstanden war, lautet es bei den nächst folgenden Akten der Schöpfung  Gott sprach. Es werde …Und es ward.

Erst am fünften Tag taucht das Wort bara - schuf, wieder auf:

Dann sprach Gott: Das Wasser wimmle von Schwärmen lebendiger Wesen und Vögel sollen über der Erde am Himmelsgewölbe fliegen. Und Gott schuf die großen Wassertiere und alle Lebewesen, die sich fortbewegen nach ihrer Art, von denen das Wasser wimmelt, und alle gefiederten Vögel nach ihrer Art. 

Hier abermals verbunden mit der Scheidung von Oben und Unten, der Erschaffung der Meerestiere und der Vögel am Himmel. 

Die Tiere des Landes folgen am sechsten Tag. Auch sie werden wiederum durch die Sprache ins Leben gerufen.

      

Nachdem nunmehr die gesamte Natur entstanden ist, wendet sich Gott am sechsten Tag der Erschaffung des Menschen zu: Gott schuf den Menschen nach seinem Abbild. Als Abbild Gottes schuf er ihn.  Als Mann und Frau schuf er sie.

Erst hier erscheint das Wort bara, der Begriff des Erschaffens wieder. Und dies dreimal hintereinander. Nach der Entstehung von Himmel und Erde, dem Gegensatz der Urdistanz des Anfangs Martin Buber, Urdistanz und Beziehung,  wurde es nur einmal am fünften Tag der Schöpfungswoche genannt, wo es um die Seetiere und die Vögel am Himmel ging. Und nun als Gott den Menschen nach seinem Abbild schafft fällt das Wort bara dreimal.

Die Erschaffung von Himmel und Erde aus dem Nichts, die Urteilung, kehrt auf diese Weise wieder bei der  Erschaffung des Menschen.

 

Zwar beginnt auch dieser Akt mit den Worten Und Gott sprach: .... aber dieses Sprechen erscheint als ein innerer Dialog der Gottheit, denn es heißt weiter; Lasst uns den Menschen machen, in unserem Bilde. in unserem Gleichnis.

 

So erscheint das Zeichen Wassermann in der Schau der Viergestalt des Propheten Ezechiel als das Antlitz eines Menschen, neben Löwe, Stier und Adler. 

Der Anfang der Schöpfung findet abermals statt bei der Erschaffung des Menschen. Daher die Betonung der Polarität. Es sind immer wieder die Wassermann-Geborenen, die die Polarität artikulieren, Romano Guardini, der vom Gegensatz spricht. Oder Martin Buber, der das Dialogische Prinzip und die Ich-Du-Beziehung zum Wesentlichen des Menschen erklärt. Oder Ilya Prigogine, der den Dialog mit der Natur fordert, nämlich sie als Gegenüber zu erkennen.

 

Aus der Polarität erwächst die Sprache.

Es ist der Weg vom Zeichen Wassermann zum Steinbock.

Die Betonung des Gegensatzes erscheint hier sowohl in dem Hinweis, dass er die Menschen als Mann und Frau schuf, als auch - was in den Übersetzungen des Urtextes verloren geht - in der Wendung

Lasst uns den Menschen machen in unserem Bilde.

 

Eine Aussage, die Interpretationsspielraum zu bieten scheint. Der Kommentator Raschi stellt das Verständnis des Satzes her, indem er auf das aristotelische Gleichnis von Wachs und Siegel * verweist. 

In unserem Bilde, so Raschi, bedeutet als Gegenüber - so wie Wachs und Siegel sich gegenüber sind. Gott erschafft den Menschen als sein Gegenüber.

Und als einen, der die Erkenntnis des Gegenüberseins hat.

Die Existenz des Menschen gehört nicht zum Himmel und  auch nicht zur Natur. Er ist Grenzwesen, sagt Guardini, und nur darin, Grenzwesen zu sein und dies auszuhalten, liege die Erfüllung seines Menschseins.

Es entspricht der Entwicklung der Individuen, wenn in der Genesis das mit der Erwähnung des Sprechens verbundene Hören dem Sehen vorausgeht. Denn das Licht wird erschaffen, indem Gott sprach: Es werde

Bevor der Mensch sehen kann, vermag er, als Ungeborener noch, zu hören. Das Sehen tritt erst mit der Geburt ein, mit der er in die Zeit kommt. Es ist dem Zeichen Schütze zugeordnet, der Raum des Schauens, nachdem im vorherigen Zeichen Steinbock die Sprache entstand.

 

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Später wird Gott den Menschen anweisen, durch die Sprache zu wirken. Einmal, im weiteren Verlauf der Genesis:  Er führt die Tiere des Feldes und die Vögel des Himmels vor den Menschen, um zu sehen, wie er sie benenne. Und so, wie er sie nannte, sollten sie heißen, sagt der Text.

Ein anderes Mal soll Moses gegen Ende der vierzigjährigen Wüstenwanderung zu einem Felsen sprechen, er möge Wasser fließen lassen. Moses missachtet die Weisung und schlägt den Felsen mit dem Stab. Dies ist der Grund, warum er das Gelobte Land nicht betreten darf. >>

                                                                         

 

Mit der Erschaffung des Menschen endet die Schöpfung am sechsten Tag. Danach kommt es zum siebten Tag, dem Tag der Ruhe. Aus dem  siebten Tag erwächst der neue Anfang.

 

- Aber heisst es nicht Durch das Wort wurde alles geschaffen. Auch im Prolog des Johannes lautet es. Im Anfang war das Wort. Hier in der Genesis folgt das Sprechen Gottes der Schöpfung, der Teilung von Himmel und Erde.

 

- Das Wort ist nicht gleich der Sprache. Das Wort ist die Teilung von Himmel und Erde. Im hebräischen Urtext finden sich drei hauptsächliche Begriffe mit dem Bedeutungsinhalt des Begriffes Wort. Einer von ihnen ist das Milah. Ein Wort mit vielschichtiger Aussage. Neben der Bedeutung Wort bezieht es sich auf die Begrenzung, also auf die Teilung, als auch auf die aus der Grenze erwachsende oder der Grenze vorausgesetzte Beziehung - es ist das biblische Wort für Bund oder Versprechen. So der Bund Gottes mit Abraham.  Zum Wortfeld gehört auch die Erfüllung, nicht nur des Versprechens, sondern auch der Kluft des Trennenden. Martin Buber erläutert diese Thematik in der Schrift Urdistanz und Beziehung

 

- Die älteste Textversion des Prolog des Johannes ist nur im Griechischen überliefert. Dort heißt es Durch den Logos wurde alles geschaffen.

 

- Die deutsche Übersetzung Wort steht dem Inhalt durchaus näher. Der Text der Genesis als auch des Johannes-Prologs legt nahe, dass es sich in einem vorauszusetzenden hebräischen Urtext um den Begriff Milah handelt - des Wortes, das zugleich die Urdistanz und die Beziehung von Himmel und Erde enthält. Milah, Mythos, Logos >>

 

 

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 (C) Herbert Antonius Weiler 2019

 

 

 

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Raschi-Commentare, Bereschit, Kap. 1, S. 12: 

Alle Wesen wurden durch das göttliche Wort, der Mensch aber wurde gleichsam mit der göttlichen Hand erschaffen, er wurde gleichsam mit einem Prägestock gestempelt,...  dasselbe sagt Hiob 38, 14 "Sie wandeln sich wie ein Siegelthon". Hier heißt es deutlich, dass die für ihn bestimmte Form das Ebenbild seines Schöpfers sei. Weiter hießt es "er nahm eine von seinen Rippen". Nach der Agada hatter der erste Mensch bei seiner Erschaffung zwei Gesichter, später wurde er in zwei Hälfte, männlich und weiblich, geteilt. Der einfache Sinn aber ist, die Schrift zeigt hier an, dass beide am sechsten Tag erschaffen wurden, ohne sich über die Art und Weise ihrer Erschaffung zu erklären.