Die Schwarze Sonne
- Der Aussage des Agrippa von Nettesheim zufolge ist die in der Offenbarung des Johannes genannte Zahl des Tieres 666 auf Hebräisch darzustellen. Sie ergibt auf diese Weise den Namen SORaTH - סורת, eine in der Kabbalah erwähnte Widersachermacht, auch als Antichrist bezeichnet. Etymologisch steht der Name im Zusammenhang mit einer Rückwärtsdrehung wie auch Verfinsterung. Rudolf Steiner spricht vom "Sonnendämonium", dessen Wirken sich direkt gegen das Ich, gegen die Identität des Menschen richtet.
Der Name steht ebenfalls im Zusammenhang mit dem 18jährigen Zyklus der Sonnenfinsternisse wie auch der Rückwärtsbewegung des Mondknotens auf der Ekliptik.
Darüber hinaus hat auch die Schreibweise der dreimaligen Wiederholung der Sechs eine Bedeutung, die Irenäus von Lyon als die dreimalige Betonung der Halbheit zusammenfasst, mit der der Geist ausgeschlossen wird und das Subjekt sich unerlöst zurückdreht.
Rudof Steiner überträgt die dreimalige Sechs auf die christliche Zeitrechnung und spricht von einem Angriff der Widersachermacht im Jahre 666, den er mit der Akademie von Gondischapur verbindet. Von dieser sei damals ein intellektualistischer Impuls ausgegangen, der zu einer verfrühten technokratischen Entwicklung geführt und in der, wenn sie sich ungehindert durchgesetzt hätte, der Mensch eine seelische Anwesenheit und Individuation nicht habe entwickeln können. Dieser Impuls sei durch das Aufkommen des Islam gewissermaßen aufgenommen und entschärft, seiner Stringenz entledigt und ins Schwärmerische abgebogen worden. Der zweite Angriff um das Jahr 1332 wirkte sich in der Zerstörung des Templerordens >>durch Philipp von Frankreich aus, mit der Folge einer monströsen, menschenfeindlichen Entwicklung des Finanzwesens, in dem das Geld in bislang unbekanntem Ausmaß selber zur Ware wurde und Geld erzeugte.
Der dritte Angriff, der auf das Jahr 1998 fällt, hat laut Rudolf Steiner 66 Jahre zuvor, also 1932/33 begonnen. Damals vom Aufkommen einer spezifischen Sonnendarstellung als öffentliches Symbol begleitet, dem nationalsozialistischen Hakenkreuz.
Das Zeichen wirft ein Licht auf die Ableitung der Zahl aus dem Namen Sorath und ihren Zusammenhang mit den Sonnenfinsternissen.
- Die Jahre 1932/33 sind geprägt von der Einführung des Hakenkreuzes als Staatssymbol für die anschließende zwölfjährige Herrschaft der Nazis. Das Hakenkreuz, die Swastika, ist ein altes Symbol, das bereits in der antiken indischen und persischen Kultur präsent war. Es steht für das Sonnenrad. Ebenso bei den germanischen Völkern. Man ließ beim Fest der Sonnenwende ein brennendes Rad einen Hügel hinabrollen oder drehte es auf einer Stange. Die der Drehrichtung hinterherwehenden Flammen gaben das Bild des Hakenkreuzes ab. Auf diese Weise stellt sich das Hakenkreuz der Nazis als linksdrehend dar. Die meisten Darstellungen in den alten Kulturen bilden dagegen ein rechtsdrehendes Hakenkreuz. Mitunter finden sich beide Formen, aber man trifft kaum auf eine Darstellung, die ein linksdrehendes Hakenkreuz in der Häufung vorweist, wie es, zudem in dieser Ausschließlichkeit, bei den Nazis der Fall war.
Zwei Swastiken als Siegelstöcke, Harappa-Kultur, ca. 3000 Jahre vor Chr..
- In der Münchner Rhythmenlehre entspricht die linksdrehende Richtung dem Phänomen, während die Drehung im Uhrzeigersinn das Wirkende veranschaulicht. In diesem Sinne verweist die ausschließliche Favorisierung eines linksdrehenden Hakenkreuzes auf das Verharren in der Phänomenalität, auf die Verweigerung der Öffnung des Geistes und auf das Verbleiben im Materialismus.
- Die beiden Mondknoten wurden in der Antike als Kopf und Schwanz des Drachen bezeichnet, der neben der Sonnenbahn lauert und im Zyklus der 18jährigen Saros-Periode die Sonne verfinstert. Daher der Name der Ekliptik, von Ekleipsis - Verfinsterung. Ähnlich wie der Mondknoten auf der Ekliptik in Gegenrichtung, also rückwärts wandert, dreht das nationalsozialistische Hakenkreuz rückwärts.
- Als Sonnenrad steht es damit für die Abkehr vom Licht, für die verfinsterte Sonne.
-Innerhalb der SS etablierte sich, neben dem offiziellen und staatstragenden Hakenkreuz des Dritten Reichs, noch ein weiteres Sonnen-Symbol, das ein Sonnenrad mit zwölf Speichen zeigt, das ebenfalls in Linksrichtung dreht. Auf der Wewelsburg bei Paderborn, die von der SS zur Kultstätte erkoren worden war, wurde eine solche linksdrehende Sonne als Intarsie im Marmorboden des Versammlungsraum der SS-Chargen installiert. Ursprünglich soll diese, seinerzeit als Sonnenrad oder Himmelsrad bezeichnete Darstellung mit einem goldenen Zentrum, einer runden Scheibe in der Mitte versehen worden sein. Diese wurde entfernt oder entwendet, möglicherweise erst nach dem Krieg, vielleicht war sie auch lediglich vorgesehen gewesen.
Schematische Darstellung der von der SS in den Jahren 1934/35 installierten zwölfstrahligen, linksdrehenden
Sonne in der Wewelsburg, die in dieser Form erhalten blieb, ohne die vorgesehene goldene Scheibe im Zentrum
- Mit einer solchen hellen Scheibe im Zentrum, würde es allerdings eine ganz andere Wirkung haben. Das Bild der Schwarzen Sonne scheint sich im Fehlen des hellen Zentrums gleichsam verselbständigt zu haben. Es hat einen Sog - in Wirklichkeit ein schwarzes Loch. Man gewinnt eine Ahnung vom Sog der Vereinheitlichung, von dem die SS und die Nazis sich haben bestimmen lassen.
- Geblieben ist das Bild des schwarzen Zentrums mit den zwölf linksdrehenden Haken oder Sig-Runen. In den Kreisen des völkischen Sektierertums und ehemaliger SS-Leute führte das zum Topos der Schwarzen Sonne, der seit den fünfziger Jahren als angeblicher alter Kult eines "geheimen, arischen Reiches" gepflegt wird. Begründet wurde dies von dem ehemaligen SS-Mann und Vertreter der nationalsozialistischen Esoterik, Wilhelm Landig, der nach dem Krieg als völkischer Schriftsteller agierte.
- In Wirklichkeit hat ein derartiger Kult nicht existiert und bei den entsprechenden alten Darstellungen einer sich drehenden Sonne handelt, etwa aus der Merowingerzeit, es sich um rechtsdrehende, tatsächliche Darstellungen der Sonnenscheibe und nicht um die Darstellung einer verfinsterten, schwarze Sonne.
Rechtsdrehendes elfstrahliges Sonnenrad mit einer Öffnung in der Mitte,
Alemanische Fibel aus der Merowingerzeit,
- Es ist dabei erstaunlich, wie das Bild der verfinsterten Sonne seit 1932/32 nicht nur im Hakenkreuz, sondern auch konkret als Schwarze Sonne zum Zeichen wurde, ohne das dies von der SS beabsichtigt war. Und wie der damit verbundene Inhalt des Angriffs auf die Identität des Menschen und auf das Leben des Einzelnen in Erscheinung tritt
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(C) Herbert Antonius Weiler, April 2025
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