Eine Ausstellungseröffnung

 

 

 

 

 

Dies ist das Horoskop der Eröffnung einer Ausstellung in einer Kölner Galerie am 12. November 1980 um 19:00 Uhr. Sie trug den Titel: "Mülheimer Freiheit und interessante Bilder aus Deutschland". (Galerie Paul Maenz, Köln,) 

Mülheimer Freiheit war der Name der Gruppe die den grössten Teil der Ausstellung bestritt und deren Atelier im rechtsrheinischen Köln, auf der Mülheimer Freiheit lag.

Mit der Präsentation kam ein Trend zum Durchbruch, dessen Protagonisten später die "Neuen Wilden" genannt wurden. 

 

Der Ausstellung folgten spektakuläre, mehrseitige Artikel über die Gruppe in den bekannten Wochenmagazinen und auch ein Auftritt in der sonntagabendlichen TV-Talkshow Bios Bahnhof, insgesamt eine Öffentlichkeitspräsenz in einer Breite, wie sie im Kunstgeschehen bis dato noch nicht vorgekommen war.

Es wurde der größte "Kunstboom" der Nachkriegszeit. Und es geriet später zum größten Flop.

Nie gab es so viele, so schnell auf- und wieder absteigende Künstlerkarrieren. Nie wurden so viele Bilder gekauft,  deren Wertschätzung so schnell verging..

 

Der Galerist, aus der Werbebranche kommend, war ursprünglich ein Vertreter der Konzept-Art, einer Richtung, die, ausgehend von der Annahme, Kunst bestehe letzthin aus dem Verhältnis von "Kunstschaffendem" und "Kunstempfänger", oder wie man sich ausdrückte, von Produzent und Rezipient, den Künstler verstand als im Wesentlichen auf der Ebene dieses Verhält­nisses agierend, also als eine Art Denkanstoßer, der selber gar nicht mehr in Aktion tritt, sondern  Konzepte schafft.

 

Dementsprechend trat hierbei wenig in Erscheinung. Und was in Erscheinung trat, war nur dem verständlich, der die letzte Wendung der Diskussion mitvollzogen hatte.

"Diskussion" war überhaupt das in diesem Zusammenhang meistverwendete Wort.

Es war wie in dem Witz, in dem zwei Witzeerzähler sich nur noch Nummern zurufen, weil sie alle Witze nummeriert haben. *

 

Malerei war verpönt, zu malen galt als peinlich.

Sätze wie "Kunst ist Definition von Kunst", "Kunst ist Kommunikation", "Kunst ist Philosophie mit anderen Mitteln" bestimmten das Feld.

 

Der Leitsatz der Galerie, der auf ihren Briefumschlägen zu lesen war, hieß: "Kunst ist es, zu sein, was man nicht von ihr erwartet" (Seth Siegellaub - "Art is to be what you not expect from it").

Eine entsprechende Äußerung eines der beiden Galeriebetreiber war: "Mir geht es um Aktualität"  (Gerd de Vries).

 

Abgesehen von der inhaltlichen Folgerung eines Satzes, der das Unerwartete zum Programm macht, ist hierbei bemerkenswert, dass der Satz nahezu wörtlich aus der Struktur des Horoskops (Weg der Aphrodite Münchner Rhythmenlehre) hervorgeht.

 

Mit dem Ascendenten im Krebs  und dem Mond im siebten Haus geht es um ein Empfinden, das sich auf die Ausgabe der Bedeutungsmuster bezieht. Weil es sich um nahe null Grad Krebs handelt, die eine Wende andeuten, lässt sich sagen: es geht um einen öffentlichen Wechsel des Kulturempfindens.

Der Mond ist vom Steinbock beherrscht, dessen Vertreter Saturn aus dem fünften Haus heraus ein Quadrat zum Mond bildet, damit eher einen Konsum andeutend. Dementsprechend trug eines der ersten Bücher, welches die "Neuen Wilden" theoretisch zu untermau­ern suchte, den Titel: "Hunger nach Bildern" (Wolfgang Max Faust, Hunger nach Bildern, Köln 1982).

 

Mit im zwölften Haus eingeschlossen ist Zwilling mit Merkur in fünf.

Es will also heraus eine Darstellung des Gestalterischen. Herrscher von fünf ist die Jungfrau, deren Vertreter wiederum der Merkur in fünf ist.

Das Gestalterische bezieht sich auf sich selbst, es transportiert nichts als sich selbst, und es ist motiviert durch Umstände:  Malerei als Gestus, dem Bedürfnis nach Malerei nachkommend.

 

Zum Ursprung kommt dies über Stier mit Venus in fünf, welche mit Pluto aus sechs zusammensteht, und über einen Widder mit Mars im sechsten Haus.

Die Ausstellenden traten , dem Prinzip der Gemeinschaftsbildung folgend, zunächst unter dem Leitmotiv eines neuen Subjekti­vismus als Gruppe auf. Im Gegensatz zu der narzistischen Spröde der Konzept-Art-Leute sollte es hier zu einer unbekümmerten Einbeziehung marktwirtschaftlicher Gegebenheiten kommen.

 

Zum neuen subjektivistischen Selbstverständnis gehörte auch das Plündern der Kunstgeschichte und Stile. Zitat: "Corinth hat dreißig Jahre gebraucht, um diesen Stil zu entwickeln, ich

wollte mal versuchen, ob es auch in vierzig Minuten geht" (Georg Dokoupil).

Dies geht insoweit aus dem Vorherigen hervor, als daß eine Gestaltung, die sich durch Umstände motiviert, inhaltslos bleibt und auf Vorhandenes zurückgrei­fen muß.

Eklektizismus wurde zum Modewort.

Eine der häufigst gebrauchten Wendungen war: "Warum nicht?", eine andere: "Gerade deshalb".

 

Das Plündern, die aggressive Verwertung von Umständen und Eigenarten, Mars in sechs, zum Zwecke des neu Zusammenfügens, Jupiter als Mitherrscher von sechs in fünf, folgt dem philosophischen Ansatz der Zeit, in dem das Neue nur als ungewohnte Zusammenstellung des Althergebrachten gesehen wurde.

In einem solchen Denkansatz gibt es keinen Diebstahl, nur ein Verarbeiten, weil alles von irgendwoher genommen ist

 

Ein paralleler Wechsel vollzog sich in der Architektur vom Funktionalismus der siebziger Jahre zur sogenannten Postmoderne.

Das Nachgeahmte ist durch Inflationierung entwertet (Neptun in sechs). Diese Entwertung war hier intendiert, da im Rahmen des geläufigen Kunstbe­griffes Stil und Eigenart nicht nur schon längst zu Etiketten geworden sind, sondern auch als solche produziert werden.

 

"Wenn die Leute Kunst wie Wurst rezipieren, dann ist es eben eine Antwort, wie ein Metzger heranzugehen - ihnen Wurst zu geben, wenn sie Wurst wollen" (Karel Rösel).

Diese ironische Adapation des etikettenhaften Verwurstens im Sinne eines Heraustreibens der Verwertungshaltung findet jedoch auf dem Boden der subjekti­ven Vereinnahmung statt.

Man wollte, wie ein programmatischer Satz lautete "mit der Lüge die Wahrheit sagen" (Bazon Brock, Kunstforum), - eine Formulierung, die sich nur für den ergibt, der trotz inhaltlicher Unvereinbarkeit dazugehören will.

 

In die Zeit kommt dies über den Wassermann mit Uranus in sechs. Die Jungfrau als die letzte Phase vor dem Zusammentreffen mit der Gegenbe­wegung, entspricht der Erwartung.

Die Erwartung im Dienst des Subjektiven wird zum Kalkül und, im Horoskop mit Sonne-Uranus verstärkt gegeben, entsprechend dem Aktualitätsanspruch des Galeristen, zur Versäumnisangst.

 

Da hier über den Wassermann gefügt wird, der noch außerhalb der Zeit steht, ist es eine Fügung außerhalb der Zeit

Bezogen auf das sechste Haus geht es damit um das Unerwartete.

Weil der Wassermann auch noch den Übergang von der Fügung zur Form beherrscht, wird das Unerwartete zur Form, also zum Leitsatz.

 

Das Unerwartete als formulierte Forderung verkennt die Gestalten und bezieht sich nur auf deren Merkmale und Umstände.

Diese werden auf den Reiz des Unerwarteten hin verstellt, der "Stilbruch als Stil" (Art-Magazin 1982).

Eigenart wird enteignet.

Die Gestalten finden keine Umstände mehr, in denen sie erscheinen können da diese schon im Vorfeld nachgeahmt werden; und die Umstände werden ihrer Bedeutung enthoben.

 

Die Vereinnahmung der Umstände der Gestalten, des Reizes des Unerwarteten wegen potenziert sich; sie wird zum Sog.

Dieser Prozess kollabiert, wenn alle Umstände ihrer Bedeutung enthoben und damit in der Beliebigkeit reizlos geworden sind.

Wenn das Unerwartete erwartet wird, so kann sich das wirklich Unerwartete nur noch über den Zusammenbruch des an dieses Konzept gebundenen Sy­stems einstellen.

Die zentrale Figur der Gruppe gab seinerzeit auf die Frage, ob sich das Lebens­gefühl aufgrund des Erfolges geändert habe, die Antwort: "Wie fühlt sich der Pilot von Hiroshima, nachdem er die Bombe ausgeklinkt hat?" (G. Dokoupil)

 

Die Entwertung wird langsam auch in den Kreisen ruchbar, die ihn her­beigeführt haben. So schließt der Galerist zehn Jahre nach dem Ereignis seine Galerie. Er begründet dies damit, daß alles nur noch Management und Marke­ting sei. Er nimmt auch an Fernseh-Diskussionen teil, die betitelt sind etwa: "Was wird aus der Kunst?" oder "Wie geht es weiter?" und beklagt, dass Galeristen seit den 1980er Jahren "Dealer" genannt werden "und nicht mehr mit den Augen, sondern nur noch mit den Ohren kauften" (KulturSpiegel,Paul Maenz, 1, 1999).

 

Dort resümiert man über die völlige Beliebigkeit, die Kunst nicht mehr möglich und nicht mehr erkennbar mache.

Das Etikettenhafte war im Begriff des "Kunst für die Kunst", wie er in der Aufklärung entstand, vorgegeben  (Astrologiezeitung Nr.6  "Welcher Kunst ge­hen Künstler nach").

 

Wenn die Bedeutung dessen, was geschieht, schon vorausgesetzt ist, nämlich dass es Kunst sei, kann diese nicht mehr entstehen.

 

(C) Herbert Weiler , 1990, Zitatierung ergänzt 2015

 

  

 

 

* In dem Witz von den beiden Witzeerzählern, die alle Witze nummeriert haben und sich nur noch Nummern zurufen,  tritt ein Dritter hinzu und fragt nach dem Sinn des Treibens. Darüber aufgeklärt,  man habe alle Witze nummeriert, begehrt er mitzumachen und auch eine Nummer in die Runde zu werfen.  Die anderen willigen ein und er ruft daraufhin: "57".  Er erntet jedoch nur gelangweilte Gesichter.  Auf seine Frage, ob der Witz vielleicht nicht gut gewesen sei, kommt dann die Antwort: "Gut schon, nur muss man  ihn auch erzählen können."

 

 

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(c) Herbert Antonius Weiler, 1988

zuerst erschienen in:

Astrologiezeitung für die Münchner Rhythmenlehre 

 

Nr. 11, 1990, herausgegeben von Verena Franke