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Die Wohnmaschine 

Essays und Betrachtungen

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Atomzeit

Die  Proklamation der Atomuhrzeit

 

 

- Thomas von  Aquin hat die ersten Worte der Genesis erklärt, wo es  heißt: "Im Anfang". Im Anfang, so Thomas, wurde auch die Zeit. Hieße es "Am Anfang", wäre der Anfang in einer bereits vorhandenen, vorausgesetzten Zeit. Dann aber wäre es nicht der Anfang. "Im Anfang" aber besagt: Durch den Anfang wird  Zeit. Dies ist die Zeit der Gestalt. 

 

- Die Vorstellung einer vorausgesetzten Zeit, einer Ohnehin-Zeit als Behälter der Ereignisse hingegen wurde von Newton als Basis der klassischen Physik formuliert. 

 

- Die Annahme einer den Ereignissen vorausgesetzten Zeit impliziert eine Zeit ohne Ereignisse. Eine solche ist nicht denkbar. Sie wäre quasi die Dauer einer Dauer und würde sich begrifflich aufheben.  

Warum geschieht nie nichts?  Peter Fischli/David Weiss

 

- Die Naturwissenschaft muss diesen Denkfehler produzieren, weil es ihr darauf basierend möglich ist, die Bewegung der Gestalt auf einen funktionalen Vorgang zu reduzieren, der wiederum, anfangslos, durch andere Vorgänge verursacht wird und so fort. Das ist der sich in den Schwanz beißende, kreisende Leviathan>>. 

 

- So auch Kants Apodiktum, wonach Raum und Zeit jeder Erkenntnis apriori sein sollen. Eine abstrakte Zeit. 

 

- Dabei ist die unmittelbarste Erfahrung der Zeit die eines Werdens, eines Anfangs und eines Endes.

Das ist das Werden von etwas zu etwas, das Tagwerden am Morgen, das Nachtwerden am Abend, das Werden von Blüten im Frühling und Früchten im Herbst, das eigene Gewordensein.

 

- Zeit bedeutet Früher und Später und damit Innen und Außen, daher ist der Anfang in der Genesis mit der Erschaffung von Himmel und Erde verbunden. Denn es ist der Weg des Hervorbringens von Innen nach Außen.

 

- Die Messung der Zeit richtete sich bis zum Jahre 1967 nach den astronomischen Rhythmen des Tages und des Jahres. Das sind Sonnenaufgang, Mittag, Sonnenuntergang und Mitternacht, die vier Teilungspunkte des Tages, dazu die des Jahres - die Äquinoktien und die Sonnenwenden sowie die 12 bis 13 Mondrunden innerhalb des Sonnenjahres. Dazu noch die größeren astronomischen Zyklen, die man seit der Begründung des babylonischen  Kalenders zählte.

 

- Es stellt daher eine menschheitsgeschichtliche Zäsur dar, wenn der Konsens der Zeitmessung seit dem Jahre 1967 nicht mehr durch die Zyklen der Sonne definiert wird, sondern durch eine atomare Frequenz, die keiner sinnlichen Erfahrung zugänglich und nur über Instrumente lesbar ist: die Atomuhr.

 

- Nachdem man bereits vor 1945 die Idee hatte, die Sekunde könne über atomare Zustände bestimmbar sein, entstanden in der Folge die ersten Atomuhren. Deren Verlässlichkeit steigerte sich mit den Jahren, so dass das internationale Gremium zur Festlegung der Maße und Gewichte, das Bureau International des Poids et Mesures in Paris auf seiner 13. Zusammenkunft verkündete, die Sekunde sei fürderhin durch die Feinfrequenz des Cäsium-Atoms definiert. Sie gelte von nun an als "das 9.192.631.770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustands von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung".

 

- Die Auffassung der Zeit hatte sich damit endgültig von der Anschauung und Gegenwart der Gestalt getrennt.

Es fällt auf, dass die Einführung der Atomzeit mit dem von Wolfgang Döbereiner erkannten Epochenwechsel des Übergangs über Null Grad Krebs von 1967 einhergeht.

 

- Die 13. Zusammenkunft des Gremiums in Paris wurde mit der ersten Tagung am 10. Oktober 1967 eröffnet. Dem Institut zufolge fand die dritte Sitzung, in der die Neudefinition der Sekunde beschlossen wurde, damit der Beginn der Atomzeit, am 13. Oktober statt. Die Sitzung begann an diesem Tag um 15:10 Uhr. Quelle (PDF) >>

 

13. Tagung des Bureau International des Poids et Mesures, Dritte Sitzung vom 13. Oktober 1967, Beginn 15:10 Uhr

"Änderung der Definition der Sekunde"

Die Waage-Sonne in Haus Acht mit Steinbock-AC steht hierbei im Dienste einer öffentlichen Übereinkunft, mit der das individuelle Erleben der Gegenwart, repräsentiert durch Krebs und Löwe in Haus Sieben, entsubjektiviert und damit entpersonalisiert und entrechtet werden soll. Die Atomsekunde, repräsentiert durch Pluto-Uranus auf der Achse des achten Hauses, steht damit vor der Gegenwart des siebten Hauses und lässt an dieser Pforte die Zeit als das Gegenwärtigwerden der Gestalten im Bewusstsein der Menschen nicht mehr zustandekommen.

Mit Steinbock-AC erscheint dies als Maßstab der Gemeinschaft. Dessen Herrscher Saturn in Haus Zwei und der Aufgang auf 28 Grad, der nach der Münchner Rhythmenlehre einer Saturn-Merkur-Charakteristik entspricht, kennzeichnen die kollektive Regelung, mit der die Gestalt verweigert wird.

 

- Das mechanistische Zeitverständnis der Naturwissenschaft, das mit der perspektivischen Konstruktion in der Renaissance entstand, muss die Zeit stets voraussetzen. Als Ohnehin-Zeit, als Behälter der Vorgänge im Sinne Newtons und Kants ist sie von der Gestaltwerdung getrennt, aus sich selbst begründet bzw. vorausgesetzt. Sie ist kein Werden mehr. Und das heißt, dass es keine Zeit mehr gibt.  Mit der Einführung der Atomzeit wurde diese Trennung besiegelt.

 

- Die gemessene Zeit war bis zur Einführung der überregionalen Zeitzonen stets die Ortszeit, bestimmt durch die Rhythmen der Gestalt des Tages und des Jahres; sie artikulierte gleichsam nur deren Regelmäßigkeiten. Die Angabe 12 Uhr Mittag war definiert durch die Mittagshöhe der Sonne, wenn diese den Zenit überschritt. Ereignisdaten und auch Horoskope konnten seit Jahrtausenden auf dieser Basis erstellt werden. Hingegen ist ein Horoskop auf einer Raumstation kaum möglich.

 

- Dies war nicht das mechanistische Zeitverständnis, sondern eines, dem bewusst war: Die gemessene Zeit stellt nur eine Reflexion der Merkmale der Zeit der Gestalten dar.

Der erste Schritt zu einem mechanischen Zeitverständnis vollzog sich in der Renaissance mit dem Einzug der Perspektive als die Vorstellung eines vorausgesetzten Raumes. Zugleich kamen folgerichtig die ersten mechanischen Uhrwerke auf. Aber auch diese waren, ähnlich wie die Planetenmodelle der Armillarsphären, noch Bilder der natürlichen Rhythmen. 

Mit der Einführung der bürgerlichen Zeitzonen stimmte die Zeitmessung erstmals nicht mehr mit den Erfahrungen der Zyklen überein: Der wahre Mittag, der Höchststand der Sonne, war nicht mehr um 12 Uhr, sondern je nach östlichem oder westlichem Standort bis zu einer Stunde früher oder später.

 

- Allein dies ist ein Bild: Zu Zeiten der Ortszeitgültigkeit konnte jeder seine Zeit am Höchststand der Sonne ausrichten. Heute ist er angewiesen auf die Zeitangaben des Staates.

 

 

 

 

Der Tierkreis als Struktur des Kreises 

 

- Die frühen Definitionen der Zeitmaßeinheiten waren nicht etwa willkürlich gewählt, wie in der Standard-Enzyklopädie des Internets gemutmaßt, sie ergaben sich aus dem Jahres- und Tageskreis sowie aus der Erkenntnis der Kreisstruktur:

Die Zwölfteilung basiert auf der einfachsten und ersten Teilung des Kreises, indem der Zirkel auf dem Radius angesetzt und abgetragen wird. Es ergeben sich sechs Schnittpunkte auf dem Radius und sechs weitere über der Peripherie. Sechs der Ebbe und sechs der Flut zugeordnet. Die Verbindung der Punkte durch den Mittelpunkt lässt das Zwölfeck entstehen.

Die erste und grundlegende Teilung des Kreises mit dem Zirkel führt direkt zum Tierkreis.

 


Die zwölf Stunden des Tages waren ursprünglich definiert als die Zeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Gerechnet mit dem Mittelwert der Tag-und-Nachtgleiche begann die erste Stunde um sechs Uhr morgens und die zwölfte endete um sechs Uhr abends. 

Der Tag endete am Abend und die Nacht wurde schon zum folgenden Tag gerechnet. So beginnt der kirchliche Sonntag schon am Samstagabend um sechs Uhr. Dies geht auf die Regelung des jüdischen Schabbats zurück, der ebenfalls am Vorabend beginnt. 

 

 

 

Der Tagesbeginn am Vorabend

 

- In den Kulturen, die sich der babylonischen Kalenderrechnung bedienten, galten mancherorts zwei Jahresanfänge. So begann das Jahr sowohl mit dem babylonischen Frühlingsmonat Nissan, der mit dem ersten Neumond nach dem Frühlingsäquinoktikum einsetzte, als auch, nach einer anderen Zählung,  mit dem ersten Neumond nach dem Herbstäquinoktikum. Nach dieser Zählung richtet sich bis heute der jüdische Kalender. Bei den vorislamischen arabischen Stämmen wurde teilweise mit beiden Jahresanfängen gerechnet, die für jeweils unterschiedliche Lebensbereiche Geltung hatten. siehe: Der Wechsel der Gebetsrichtung >>

Der Jahresbeginn im Herbst entspricht indes der traditionellen, ebenfalls aus der babylonischen Kalendertradition überkommenen Auffassung des Tagesbeginns am Vorabend.

So beginnt die Woche des jüdischen als auch katholischen Kalenders am Samstagabend. Das Ende des Schabbats wird durch den Aufgang der ersten Sterne am Samstagabend bestimmt, mit dem der erste Tag der neuen Woche beginnt, der Jom Rischon, der Erste Tag, wie der Sonntag im Hebräischen heißt. Eine gute Woche lautet die Grußformel zum Ausgang des Schabbat. Auch in der katholischen Kirche beginnt der Sonntag am Samstagabend, am Abend des Saturntages, um 18 Uhr. Auf diese Weise zählt die Vorabendmesse zum Sonntag.

 

- Das hebräische Wort für Abend lautet Erev. Das bedeutet Vermischung. Die Konturen vermischen sich, tauchen ins Ungeteilte der Nacht ein. Daher gehört die Nacht zum kommenden Tag. Sie ist das Nichts, das Ungeteilte, aus dem der Anfang des neuen Tages hervorgeht. In diesem Sinne mag auch der Jahresbeginn im Herbst zu verstehen sein: Aus der Nacht des Jahres geht der neue Anfang hervor.

Daher ist das Herbstäquinoktikum des Jahres 1967, zwanzig Tage vor der Verkündung der Atomzeit am 13. Oktober, auch aufgrund der zeitlichen Nähe ausschlaggebend für die folgende Epoche.

 

Herbstäquinoktikum 1967, Paris, 18:38 Uhr

 

Sonne, Uranus und Pluto stehen in Verbindung am Deszendenten. Mit der Sonne auf dem Kardinalpunkt im siebten Haus ergibt dies das Bild der besetzten Gegenwart. Es ist das Bild der abstrahierten und damit ursprungslosen Zeit, ohne Ort und Gegenwart. Da das Merkur-Zeichen Jungfrau das siebte Haus als das Feld der Begegnung beherrscht, die Waage darin eingeschlossen ist, also nichts zu sagen hat, und der Merkur selber auch noch in Haus Sieben steht, vervollständigt sich die Aussage einer über das naturwissenschaftliche Kalkül ausgeschlossenen Gegenwart - die Gegenwart wird als Produkt der Umstände, als durch Umstände bestimmt begriffen. Dies ist die künftige Anschauung, die mit dem Verbundsherrscher Jupiter in Haus Sechs verkündet werden soll. Dessen Zeichen Schütze kommt aus Haus Zehn und Haus Neun, damit das Thema der Fügung der Zeit angebend.

 

- Mit dem Rhythmus von sieben Jahren pro Haus wird im Horoskop des Herbstäquinoktikums der Atomzeitresolution mit etwa 42 bis  43,5 Jahren die Pluto-Uranus-Verbindung am Deszendenten überlaufen.  Das entspricht dem Zeitpunkt der Katastrophe von Fukushima im März 2011, die in Deutschland und anderen Ländern zum Ausstieg aus der Atomenergie führte.

Bereits im neunzehnten Jahr nach der Einführung der Atomzeit war es, unter Auslösung des Saturn über Steinbock in Haus Zehn, im Jahre 1986 zur Katastrophe von Tschernobyl gekommen.

Im Jahre 1944, zweiundzwanzigeinhalb Jahre zuvor hatte der Physiker Isaac Rabi den Nobelpreis für die Grundlagen der Atomuhr erhalten. Dies geschah mit Auslösung der Jupiter-Venus-Konjunktion in Haus sechs, durch das Zeichen Krebs in Haus Vier, dessen Herrscher Mond in Haus zwei im Quadrat steht. Damit die kollektive Anerkennung und Verfangenheit anzeigend.

 

- Der Abend ist der Deszendent des Tages und der Herbstanfang der Deszendent des Jahres.

Die Auffassung, dass der Anfang sowohl vom Aszendenten als auch vom Deszendenten ausgeht, entspricht der Ich-Du-Begegnung. Martin Buber erkennt in ihr die Essenz der biblischen Geschichte. Sie ist der Ursprung der Zeit.

 

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(C) Herbert Antonius Weiler, 2019