(Textauszug)

Zeitnah

 

 

 

Südkorea, dränge,  so meldet ein Rundfunksender, auf zeitnahe Gespräche. Ein Investor, schreibt eine Regional-Zeitung, hoffe auf zeitnahe Klärung. Ein Flughafen will Probleme zeitnah beheben.

Auch die Straßenbahndurchsage kommt dem nach und wechselte bei ihren Formulierungen das Wort bald gegen zeitnah aus. 

Hieß es früher, Bitte machen Sie die Türen frei, damit wir bald weiterfahren können,  lautet es nunmehr, die Türen seien freizumachen, damir man ... zeitnah weiterfahren könne

 

Wie schon mit der Verwendung des seit einigen Jahrzehnten gebräuchlichen Zeitfensters wird auch mit der Wendung zeitnah die Zeit zum Raum gemacht und Zeit mit Begriffen bedacht, die eigentlich der räumlichen Zuordnung entstammen.

Der Fluß der Zeit, das Kommen und Gehen der Ereignisse, den das Wort bald oder auch die Frist enthält, ist in zeitnah und Zeitfenster einer räumlichen Statik gewichen, einer Feststellbarkeit.

 

Dem liegt die Vorstellung einer vorausgesetzten Zeit zugrunde, innerhalb derer die Ereignisse und Dinge geschehen. Es ist die Grundlage des klassischen physikalischen Weltbildes, wie es von Newton postuliert wurde und von Kant, der Raum und Zeit jeglicher Erkenntnis apriori setzte, philosophisch dargelegt worden war.

 

In einschlägiger Weise hatte bereits Luther das hebräische beReschit, welches seit der griechischen Übersetzung der Septuaginta, der hebräischen Präfixbildung nachkommend, wörtlich mit en arche - Im Urbeginn und später ins Deutsche mit Im Anfang übersetzt wurde, durch das räumliche Am Anfang übertragen. 

Damit war das Prinzip des Anfangs, des Anfangs aus dem Nichts, wie es sich im Geheimnis des ersten Wortes der Genesis andeutet, nicht mehr gegeben. 

 

Eines Anfangs von Allem, bei dem es kein Am einer äußeren Betrachtung, eines vorausgesetzten Raumes und einer vorausgesetzten Zeit geben kann, sondern nur ein Im, einem All-Beisammen-Sein, in dem alles beginnt und aus dem sich alles entfaltet.

 

In der Wendung zeitnah drückt sich die Neutralisierung der Zeit aus, in dem sie gleichsam von außerhalb als räumliches Maß auf einer Zeitleiste und damit als Quantität betrachtet wird, nicht als ein Werden und Wachsen von einem Anfang zur Vollendung, wie in bald enthalten.

 

Das Wort bald  ist etymologisch verwandt mit Blüte, blühen, auch mit Ball,  Balder  lautet der Name des germanischen Gottes des Frühlings und des zunehmenden Lichtes der Sonne.

Es bedeutet im Sinne eines Heraufdämmerns, Anschwellens, Erblühens, das Kommen von etwas, das sich andeutet.  Es stellt sich nicht außerhalb der Zeit, sondern drückt das Erleben, die Erfahrung in der Zeit aus, das Aufkommen der Blüte, die Ankündigung des Ereignisses.  

 

Die Vorstellung eines vorausgesetzten Raumes und einer vorausgesetzten Zeit entstand mit Beginn der Zwillings-Epoche Münchner Rhythemenlehre, als man im Zuge der Renaissance die perspektivischen Regeln in der Malerei entwickelte.

Die Inhalte der Malerei waren von nun an durch einen konstruierten Raum bestimmt, der Raum ging nicht mehr von den Inhalten aus. >> 

 

 

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Textauszug

Der Essay findet sich in dem Buch

Wie der Nibelungenhort zum Bayer-Konzern wurde

Eine astrologische Betrachtung der Nibelungensage 

und andere Essays

   

 

 

                                                                                 

 

(C) Herbert Antonius Weiler 2018